Full text: Die Alpen und Süddeutschland (Teil 1)

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beobachtet. Oft streifen diese auch ohne menschliche Führung durch alle Pfade und 
Schluchten des Gebirges. Sobald sie die Spur eines Erstarrten oder Verschütteten 
entdecken, rennen sie eiligst nach dem Hospiz zurück, bellen die stets marsch- und hilss- 
bereiten Mönche heraus und leiten sie nach der Unglücksstelle. Die alte Rasse der 
Bernhardinerhuude ist ausgestorben. Der berühmteste unter ihnen, Barry, der allein 
40 Menschen das Leben gerettet hat, wird ausgestopft im Museum zu Bern aufbewahrt. 
Die heutigen Bernhardinerdoggen, den alten im Äußern wie in ihren Eigenschaften nahe 
verwandt, sind groß von Gestalt, starkknochig, mit breiter Brust und kurzer, gewaltiger 
Schnauze, flughaarig, rauh, mit langem Behang, von außerordentlicher Feinheit der Sinne, 
unermüdlich, unwandelbar treu." (Daniel.) 
Neuerdings hat man die Schutzhütten, die an der Straße stehen, durch Fernsprecher 
mit dem Hospiz verbunden, so daß der Wanderer bei bedenklichem Wetter oder starker 
Erschöpfung durch den Fernsprecher um Hilfe bitten kann. Diese Einrichtung ist zu beiden 
Seiten des Paffes allgemein bekannt und wird jedem Landfremden, der des Weges zieht, 
in den Tälern von Wallis und Piemont mitgeteilt. Wenn nun solcher telephonischer Hilfe- 
ruf kommt, so weiß man im Hospiz auch sofort, von welcher Schutzhütte aus die Hilfe 
erbeten wird. Dann wird ein Mann und ein Hund ausgeschickt. Der Hund trägt ein 
Körbchen um den Hals, in dem Brot, Käse und Wein enthalten sind; er wittert schon auf 
20 Minuten Entfernung den Menschen und läuft nun voraus mit seiner Labung. Diese 
Einrichtung erleichtert die sichere Hilfe und erspart den Insassen des Hospizes das oft 
unnötige planlose oder vergebliche Absuchen des Passes. Der St. Bernhardspaß ist heute 
noch sehr stark besucht. Das Hospiz bewirtet jährlich 4—5000 Reisende, 5—6000 Pilger 
und etwa 15000 piemontesische Arbeiter, die in der Schweiz Arbeit suchen. Selbst im 
strengsten Winter kehren sechs bis acht Gäste täglich dort ein. Der Fernsprecher als 
Rettuugsmittel bewährt sich jährlich an vielen Menschen. 
f. Der Verkehr auf den Kunststraßen. 
Auf den großen Alpenstraßen herrschte seit ihrer Erbauung bis in die 
neueste Zeit hinein ein überaus reger Verkehr. Zahlreiche Reisende zu Fuß 
und zu Pferde zogen hinüber und herüber. Täglich eilten Postwagen hin und 
her, schwere Frachtwagen, mit einem großen, weißen Tuch überspannt und von 
6 Pferden gezogen, beförderten allerlei Waren über das Gebirge, und zahlreiche 
große Viehherden wurden zum Verkauf nach den italienischen Märkten getrieben. 
Ganz eigenartig gestaltete sich das Leben und Treiben im Winter. Sobald 
der Schnee die Straßen bedeckte, in den höheren Gebieten schon von Mitte 
Oktober an, hörte der Verkehr für das Räderfuhrwerk auf, und der Schlitten- 
dienst begann, sowohl für die Post wie für den Gütertransport. In großen, 
bequemen Postwagen fuhr man aufwärts, soweit die Straße schneefrei war. 
Kam man in das Gebiet des Schnees, fo erblickte der Reisende eine Anzahl 
kleiner ein- und zweisitziger Schlitten, die ohne Dach und Fach, ohne Bewachung 
sicher und unangetastet neben der Straße lagen. Der Wagen hielt jetzt an, die 
Insassen stiegen aus, Güter, Briefsäcke und Gepäck wurden auf die Schlitten 
geladen, die Reisenden erhielten jeder eine dicke Büffelhaut, die gegen Regen 
und ^chnee, Kälte und Wind schützte, und nahmen dann ebenfalls in Schlitten 
Platz. Der große Wagen aber blieb unbewacht an der Seite der Straße 
Fick. I. Band. 6
	        
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