203
rvittchen wie tot auf der Erde liegen sahen, hatten sie gleich die Stief¬
mutter in verdacht, suchten nach und fanden den giftigen Kamm, und
kaum hatten sie ihn herausgezogen, so kam Sneewittchen wieder zu sich
und erzählte, was vorgegangen war. Da mahnten sie es noch einmal,
auf seiner Hut zu sein und niemand die Tür zu öffnen.
5. Die Königin stellte sich daheim vor den Spiegel und sprach:
„Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die Schönste im ganzen Land?"
Da antwortete er wie vorher:
„Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier,
aber Sneewittchen über den Bergen
bei den sieben Zwergen
ist noch tausendmal schöner als Ihr."
RIs sie den Spiegel so reden hörte, zitterte und bebte sie vor Zorn.
„Sneewittchen soll sterben", rief sie, „und wenn es mein eigenes Leben
kostet!" Darauf ging sie in eine ganz verborgene, einsame Kammer,
wohin niemand kam, und machte da einen giftigen, giftigen Rpfel.
äußerlich sah er schön aus, weiß mit roten Kacken, daß jeder, der ihn
erblickte, Lust danach bekam; aber wer ein Stückchen davon aß, der mußte
sterben. Rls der Rpfel fertig war, färbte sie sich das Gesicht und ver¬
kleidete sich in eine Bauersfrau, und so ging sie über die sieben Berge
zu den sieben Zwergen. Sie klopfte an; Sneewittchen steckte den Kops
zum Fenster heraus und sprach: „Ich darf keinen Menschen einlassen,
die sieben Zwerge haben mir's verboten." — „Mir auch recht", ant¬
wortete die Bäuerin, „meine Äpfel will ich schon los werden. Da, einen
will ich dir schenken." — „Nein", sprach Sneewittchen, ich darf nichts
annehmen." — „Fürchtest du dich vor Gift?" sprach die Rite; „siehst
du, da schneide ich den Rpfel in zwei Teile; den roten Backen iß du, den
weißen will ich essen." Der Rpfel war aber so künstlich gemacht, daß
der rote Backen allein vergiftet war. Sneewittchen lüsterte den schönen
Rpfel an, und als es sah, daß die Bäuerin davon aß, so konnte es nicht
länger widerstehen, streckte die Hand hinaus und nahm die giftige Hälfte.
Kaum aber hatte es einen Bissen davon im Mund, so fiel es tot zur
Erde nieder. Da betrachtete es die Königin mit grausigen Blicken und
lachte überlaut und sprach: „Weiß wie Schnee, rot wie Blut, schwarz
wie Ebenholz! Diesmal können dich die Zwerge nicht wieder erwecken."
Und als sie daheim den Spiegel befragte:
' „Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die Schönste im ganzen Land?"
so antwortete er endlich :
„Frau Königin, Ihr seid die Schönste im Land."