68 
daß der Schnee auf den Hochalpen (überhaupt auf allen Hochgebirgen) 
nicht zu Bergen anwächst, sie hat jenen Schneemassen Abflüsse gegeben. 
Der Schnee, der in den Regionen eines andauernden, ununter- 
brochenen Winters fällt, ist in der Form vom gewöhnlichen groß- 
flockigen Winterschnee der Ebene sehr verschieden. Er ist ein feiner, 
krystallinischer, nadelartiger Staub von ungemein blendender Weiße 
(Schneebrillen!), pulverig trocken und darum sehr beweglich. Er deckt 
alle nicht zu steilen Grate und Hörner (nur in verhältnismäßig ge- 
ringer Stärke), bleibt aber seiner staubartigen Eigentümlichkeit wegen 
nicht leicht an Wänden von starkem Abfall hängen; denn ein Spiel 
der Lüfte wird er von jedem Windstoße aufgewirbelt und fortgetrieben. 
Weiter abwärts schmilzt dann die oberflächliche Schneeschicht unter den 
warmen Strahlen der Sommersonne und unter der Einwirkung warmer 
Winde; das Wasser dringt in die tieferen Lagen ein, wo es niedere 
Temperaturen vorfindet und deshalb wieder gefriert. Infolgedessen 
nimmt der Schnee an Stelle seiner früheren feinen, eckigen Struktur 
nach und nach eine mehr rundliche Körnerform an, so daß er dadurch 
fast wie zusammengebackener grober Sand aussieht. Diesen körnigen 
Schnee heißen die Alpenbewohner Firn'). Die von ihm überlagerten 
Flächen heißen Firnfelder oder Firnmeere. 
Indem sich nun Firnlage auf Firnlage häuft, pressen die oberen 
die unteren zusammen und verwandeln die letzteren in eine zusammen- 
hängende feste Masse. Diese wird durch den Druck der über ihr liegen- 
den Firnschichten vorwärts gepreßt und beginnt demnach auf den Berg- 
abhängen (in den Thälern!) abwärts zu fließen. So gelangt sie in 
tieserliegende wärmere Gegenden, in denen nicht mehr bloß Schnee, 
sondern auch schon Regen fällt. Diesen letzteren schluckt sie auf, bindet 
ihn durch die innewohnende Kälte zu Krystallen und verdichtet sich 
endlich zu porösem Eis. Das ist das Gletschereis. Es unterscheidet 
sich in seinem Aussehen von jedem anderen Eise (Flußeis, Eiszapfen) 
und bildet eine kompakte Masse, welche von zahlreichen Sprüngen 
durchzogen ist, so daß sie nicht mehr die Durchsichtigkeit des gewöhn- 
lichen Eises besitzt. Daher sieht das Gletschereis meist wie aus un- 
zähligen Eisstücken zusammengebacken aus. Es füllt nun nicht etwa 
ein Thal bis zu einer gewissen Höhe gleichmäßig an, sondern schiebt 
sich zungensörmig in dasselbe hinein und erscheint darin wie ein flach- 
gewölbter Damm. Dieser bläulich glänzende Eisstrom, in dem der 
Hochschnee und der Firn ihren natürlichen Abfluß finden, heißt Gletscher. 
Ein Gletscher ist demnach eine bis tief unter die Schnee- 
grenze in Thäler hinabgedrängte Firnmasse. 
Von den Höhen, denen die Gletscher entstammen, schieben sie sich 
langsam, unmerklich, aber stetig thalab, oft bis in bewohnbare Gegen- 
den, bisweilen sogar in das Gebiet des Feldbaues; sie ziehen sich also 
in Regionen, wo sie schmelzen. Auf dem unteren Ende eines Gletschers 
rieseln daher unzählige kleine Wasseradern, welche zu einem Bache, 
dem Gletscherbache, vereinigt, in der Regel durch ein hohes, gewölbtes 
') fern, im Mhd. fime, bedeutet soviel als alt, vorjährig; der Firn ist also 
alter, vorjähriger Schnee.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.