106 Die Kolonialmächte Europas.
da für Ackerbau und Auswanderung geeignet, B r i t i s ch - N o r d-
amerika, Südafrika und A u st r a l i e u. Gauz besonders erfolgreich war
England in den letzten Jahezehnten in Afrika, namentlich im Süden und Osten
dieses Erdteils. Im Nordosten Afrikas beherrscht England nahezu das ganze Ge-
biet von der Mündung des Nil bis zum Kongostaat (Ägypten, Nubien, den Sudan
und Ugauda) und ist dadurch im Besitze der unübertrefflichen Flankendeckung des
englisch-indischen Schiffahrtsweges zwischen Port Said und Aden. In Südafrika
erstreckt sich sein Besitz vom Kapland bis zu deu innerafrikanischen Seen. Hier hat es
das Diamantengebiet von Westgriqualaud (1871) und durch Einverleibung der
Burenstaaten auch das Goldland von Transvaal an sich gerissen. Da der portn-
giesische Besitz handelspolitisch ebenfalls unr ein Zubehör Englands ist, so erscheint
die von dem Engländer E e c i l Rhodes ausgegebene Losung „Afrika englisch
vom Kap bis Kairo" beiuahe verwirklicht. Einzig Dentsch-Ostasrika unterbricht hier
den Zusammenhang des englischen Gebietes. Des weiteren geht das Streben Eng-
lands deutlich dahin, sich auch eine vorherrschende Stellung in M i t t e l a f r i k a
zu sichern. Im erzreichen Katangagebiet besitzet die Engländer bereits das Wirtschaft-
liche Übergewicht. Sie sind anch im Begriffe, mit der L o b i t o b a h n eine englische
Jnteressenlinie quer durch Angola nach dem Südende des Kongostaates herzustelleu.
Vorzüglich haben die Engländer es endlich verstanden, Stützpunkte ihres Handels
und ihrer Seemacht zu erwerben, so Gibraltar, Malta, Aden, S i n g a -
Pore, St. Helena, die B e rmu d a-Ius e ln usw.
3. Frankreich.
Erste Kolonialperiode. Frankreich hatte schon im 17. und 18. Jahr-
hundert ansehnliche Kolonialgebiete erworben, so in Amerika eine größere Zahl west-
indischer Inseln, dann Unterkanada und Landstriche am Mississippi. Durch die Be-
strebungen Frankreichs, zwischen dem kanadischen Gebiet und den Gebieten am Missis-
sippi eine Verbindung herzustellen, drohte den englischen Kolonien sogar die Gefahr,
von französischem Besitz förmlich eingeschlossen zu werdeu. Auch in Ostindien hatte
Frankreich noch im 17. Jahrhundert Fuß gefaßt und mehr als ein Jahrhundert rangen
dort Frankreich und England um die Herrschaft. Fast alle seine Besitzungen hat
jedoch Frankreich noch im 18. Jahrhundert im Kampfe mit England (1688—1805)
eingebüßt.
D i e zweite Kolonialperiode Frankreichs beginnt mit
der Eroberung Algeriens, seit 1830. Mit der jüngst erfolgten Ausdehnung der fran-
zöfifchen Schutzherrschaft über Marokko hat es den ganzen Nordwesten Afrikas an
sich gebracht und ist damit die Vormacht in Nordwestafrika. Insbesondere sind A l -
g e r i e n und Tunis unter der französischen Verwaltung bereits Länder mit
blühendem Wohlstande geworden. Dieses Neu-Fraukreich soll nicht nur
zur Erweiterung des heimischen Wirtschaftsgebietes dienen sondern zugleich als
militärisches Anwerbungsgebiet zur Erhöhung der Schlagkraft des Mutterlandes
und zur Aufrichtung der Vorherrschaft Frankreichs im westlichen Mittelmeer. —
Das zweite Kolonial-Hanptgebiet Frankreichs ist Französisch-Hinter-
i n d i e n, ein Reich von der doppelten Größe Preußens mit 18 Mill. Einw.; dazu
kommt die große Insel Madagaskar. — Der gesamte Kolonialbesitz Frank-