108 Die Kolonialmächte Europas.
Mutterlandes, obwohl dieses zu den reichsten Ländern der Erde zählt, zu gering,
um der ungeheuren Ausdehnung seines überseeischen Wirtschaftsgebietes zu ge-
nügen. Auch leidet die niederländische Kolonialpolitik unter dem Mangel einer
starken Seemacht. Endlich wird die Kolonialherrschaft der Niederländer in Ostindien
mehr und mehr durch britische und nordamerikanische Ausdehnungsbestrebungen
bedroht.
6. Portugal.
Portugal ist ein überwiegend maritimes Land und einsichtige Herrscher desselben
ließen das Volk durch Italiener zu Seefahrern heranziehen. Im 16. Jahrhundert
war Portugal bereits eine See- und Welthandelsmacht. Es hatte die West- und Süd-
ostküste von Afrika, die Westküste von Indien, die Molnkken, einzelne Teile in Hinter-
indien und an der chinesischen Küste besetzt. Besonders durch den Verkehr mit Indien
hatte es sich große Reichtümer erworben, Lissabon war der Weltmarkt für indische
Erzeugnisse geworden. Gelegentlich ihrer Fahrten nach Indien waren die Portu-
giesen auch weiter nach Westen gelangt und hatten das heutige Brasilien entdeckt,
aus das sie ebenfalls die Hand legten. Doch erschöpfte sich mit der Zeit die Kraft des
kleinen Staates an den Riesenaufgaben, die es sich in Afrika, Südasien und Süd-
amerika gestellt hatte, und der größte Teil seines ausgedehnten Kolonialbesitzes
ging verloren, vor allem auch Brasilien, dessen Losreißung zu Anfang des 19. Jahr-
Hunderts erfolgte. Doch wußte es sich die Reste seiner indischen Herrschaft und be-
sonders sein gesamtes afrikanisches Besitztum bis heute zu bewahren. Seine Kolonien
wesentlich weiter zu entwickeln, ist es aber nicht imstande gewesen. In handelspoli-
tischer Beziehung stehen sie wie auch das Mutterland ganz unter britischem Einfluß.
Besitz in Afrika: Kapverdische Inseln, Guineagebiet, St. Thome und Prinzipe,
Angola nnd Mozambiqne. In Asien: In Indien Goa, Diu, an der chinesischen
Küste Macao, dann die Molnkkeninsel Timor.
7. Spanien
war ehedem die gewaltigste Kolonialmacht der Erde. Abgesehen von Brasilien und
einigen Teilen von Guayana, beherrschte es ganz Südamerika, Mittelamerika,
Westindien und fast die ganze Nordküste des Golfs von Mexiko nebst diesem selbst,
dazu die Philippinen in Asien, somit ein Gebiet, reichlich doppelt so groß wie ganz
Europa. Heute nennt Spanien nur noch wenige westafrikanische Küstenstriche und
Inseln (Fernando Po und Annobon) sein Eigen. — Hauptursache dieses Ergebnisses
sind ein falsches Regierungssystem und geringe wirtschaftliche Veranlagung der
spanischen Nation. Spanien suchte in seinem überseeischen Reiche nur Herrschaft,
Gold und Stellen für seinen Adel. Auf den Handel sah der Eastilianer geringschätzig
herab. Auch war man weder bedacht, den Kolonien selbsterzeugte gewerbliche Pro-
dukte zu liefern, noch suchte man in ihnen gewerbliche Tätigkeit wachzurufen. Sehr
gering blieben auch die nach Spanien oder auf den Weltmarkt gelangenden Mengen
von Erzeugnissen kolonialer Pflanzungen. Die Herrschaft Spaniens in Amerika
währte daher nur so lange, als es die leitende europäische Großmacht war. Mit
dem Mißerfolg seiner Armada war auch seine Stellung aus dem Meere und in den
Kolonien erschüttert. Die traurige Rolle, die es dann in der Zeit der Französischen