Deutschland als Staatengebilde.
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Auf allen wesentlichen Gebieten des Volkslebens besteht Rechtseinheit.
Das bürgerliche Recht, das Strafrecht usw. sind einheitlich geordnet. Einheitliche
Rechtsgrundlagen gelten für das gewerbliche Leben und den Handel. Auch Maß-,
Münz- und Gewichtswesen haben eine einheitliche Regelung erfahren. Dazu kommt
die große und vielseitige Sozialgesetzgebung, durch welche das Deutsche Reich weit
über seine Grenzen hinaus bahnbrechend gewirkt hat^).
Das Reich ist ferner eine wirtschaftliche Einheit. Die Grenzen der Glied-
staaten sind nicht mehr, wie ehedem, zugleich Schranken des wirtschaftlichen Lebens.
Insbesondere ist auch das Nachrichtenwesen einheitlich geregelt und verwaltet; nur
Bayern und Württemberg verwalten selbst ihr Post- und Telegraphenwesen.
Einheitlichkeit herrscht endlich im Reiche in bezug auf das Heerwesen
und die Marine.
Die einzelnen Staaten sind konstitutionelle Monarchien mit Ausnahme
der Freien Städte, welche republikanisch regiert werden.
Auch Elsaß-Lothriugen hat eine konstitutionelle Verfassung. An der Spitze
der Landesregierung steht im Reichsland ein kaiserlicher Statthalter.
Zur Bestreitung der gemeinschaftlichen Ausgaben dienen die aus den Zöllen
und einigen Steuern erfließenden gemeinschaftlichen Einnahmen und, soweit diese
nicht hinreichen, Beiträge der einzelnen Bundesregierungen nach Maßgabe ihrer
Bevölkerung (sog. Matrikularbeiträge)^).
J) Auf Grund des Juvalidenverficheruugsgesetzes wurden in dem einen Jahre 1910 im
Reiche an Renten 169 Millionen Mark ausbezahlt.
2) Zölle sind Abgaben, die für Waren beim Überschreiten einer bestimmten Zollgrenze
erhoben werden. Die deutschen Reichsgrenzen einschließlich Luxemburgs sind Zollgrenzen.
Deutscher Zollverein seit 1. Januar 1831.
3) Die wichtigsteu Einnahmen und Ausgaben des Deutschen Reiches
i. I. 1912/13.
Einnahmen Mill. M.
Zölle 669
Tabaksteuer 12
Zigarettensteuer 30
Zuckersteuer 143
Salzsteuer 58
Branntweinsteuer 195
122
..... 11
18
17
Ausgaben Mill. M.
Brausteuer
Schaumweiusteuer ,
Zündwarensteuer
Wechselstempelsteuer
Reichsstempelabgaben
Erbschaftssteuer
Post- und Telegrapheuverwaltuug .
Reichseisenbahnverwaltung . . . .
Matrikularbeiträge der Einzelstaaten
13
791
141
52*)
Verwaltung des Reichsheeres . .
Verwaltung der Reichsmarine . .
Reichsschuld
Pensionsfonds
Auswärtiges Amt
Reichsamt des Innern
Post- und Telegraphenverwaltung
Eisenbahnverwaltung
181
234
143
19
93
667
103
Gesamtsumme aller Einnahmen
„ „ Ausgaben .... 2 886
Auf den Kopf der Bevölkerung entfallen Steuern
(1912) in:
Deutschland Großbritanien Frankreich
62,75 M. 106,7 M. 96,09 M.
Das deutsche Volk verausgabt für alkoholische Getränke jährlich 2500-3000 Mill. M., d. i.
das Dreifache des Aufwandes für Landheer und Marine im Jahre 1912/13.
*) Die Matrikularbeiträge der einzelnen Bundesstaaten betragen eigentlich für 1912/13 247Mill.
Mark'; es sind aber von dieser Summe die den einzelnen Bundesstaaten aus der Branntwein-
steuer mit 195 Mill. Mark zufließenden Überweisungen abgesetzt.