Full text: Die deutsche Urzeit (Teil 1)

Abschnitt I. 
Wanderungen, Kriege, Wirtschaft, Wecht. 
§ 1. Einwanderung der Germanen in Mitteleuropa. 
(Bruno Gebhardt, Handbuch der Deutschen Geschichte. — 21 uguft Meitzen, 
Siedelung und Agrarwesen der Westgermanen und Ostgermanen, der Kelten, Römer, 
Finnen und Slawen. — Karl Bücher, Die Entstehung der Volkswirtschaft. — 
K. G. Stephani, Der älteste deutsche Wohnbau und seine Einrichtung I.) 
1. Nomadenleben in der Urheimat. Nach allgemeiner Ansicht sind 
die Gernranen ein Zweig der Jndogennanen. Diese waren ein großes No¬ 
madenvolk, das in zahlreiche, wohl auch mundartlich voneinander verschie¬ 
dene Stämme zerfiel und wahrscheinlich innerhalb des europäisch-asiatischen 
Steppengebietes um den mittleren Lauf der Wolga herum hauste. Auf 
diesen ausgedehnten Hügel- und waldlosen Ebenen weideten die indogerma¬ 
nischen Stämme ihre Rinder-, Schaf- und Ziegenherden. Den Haupt¬ 
reichtum jeder Familie, die wirtschaftliche Grundlage ihres Daseins, bildete 
das Vieh. Das Herdentier lieferte sein Fleisch als Speise, seine Milch als 
Getränk, uud aus dieser Sitte entsprang, wie Jakob Grimm (Geschichte der 
deutschen Sprache II, 1015) nachgewiesen hat, „das durch die ganze Volks¬ 
poesie ziehende Gleichnis von Milch und Blut". Die Jagd, gelegentlich zur 
Abwehr wilder Tiere geübt, und der Fischfang bildeten keine Nahrungsquellen, 
ebensowenig der Ackerbau, obgleich eine Halmfrucht bekannt war und wohl 
gelegentlich gebaut worden sein mag. 
Zur Erhaltung ihrer Herden bedurften die indogermanischen Hirten 
großer Weideplätze. Deren Größe können wir durch Vergleich mit heutigen 
Verhältnissen erschließen. In den weiten Ebenen Hochasiens bedarf und 
bedurfte, da alle grundlegenden Verhältnisse heute dieselben sind wie vor 
undenklichen Zeiten, eine Nomadenfamilie von 6—8 Köpfen zu ihrem 
Unterhalt einer Viehherde von 300 Häuptern. Eine solche Herde nimmt 
in Turkestau oder im südlichen Sibirien wie südöstlich im gebirgigen Hoch¬ 
land zu ihrer Ernährung nicht weniger als 1/6 einer geographischen Geviert- 
Bär, Deutsche Geschichte. I.
	        
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