Metadata: Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen

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sich unter den Fürsten Deutschlands eine mächtige Baulust. Wer 
einen großen Bau zu errichten vorhatte, berief vor allen Dingen eine 
Schar (etwa 20—25) sachkundiger Mönche. Sie entwarfen den Bau¬ 
plan, sie überwachten und leiteten als Werkmeister die Ausführung 
des Werkes. Die grobe Arbeit und die gewöhnlichen Handreichungen 
taten die fronenden Bauern und Handlanger. Wo deren Geschick und 
Erfahrung nicht zureichte, da legten die frommen Väter auch wohl 
selbst Hand an. Aus den dienenden Arbeitern erwuchs allmählich 
unter dem bildenden Einflüsse mönchischer Baumeister ein Bestand von 
Bauhandwerkern, Maurern, Steinmetzen u. dgl. 
Die Klosterwerkstatt ist aber auch die Wiege des Kunsthand¬ 
werks. Wenn auch die Klosterregel den Brüdern äußerste Einfach¬ 
heit der Lebensführung vorschrieb, Gott zu Ehren glaubte man von 
dieser Einfachheit eine Ausnahme machen zu dürfen. Für das Blut 
Christi, meinte der Abt Suger von St. Denis, seien die kostbarsten 
Gefäße eben gut genug. „Neben eisernen Kronleuchtern, kupfernen 
und eisernen Weihrauchfässern, Meßkleidern und Altarbehängen ohne 
Seide und Gold waren silberne und vergoldete Kelche gestattet, und 
so machte man die Gefäße so kostbar und so künstlerisch, als man es 
vermochte." Die Silber- und Goldschmiedekunst, die Stickerei und 
Emailmalerei, die Elfenbeinschnitzerei und andere Kunsthandwerke er¬ 
hielten somit mannigfache Anregungen und fanden eifrige Pflege. Die 
Kirchengeräte und -gefäße wurden prächtig und kunstvoll gearbeitet. 
Zu den ältesten Denkmälern der frühmittelalterlichen Elfenbeinplastik 
und Emailmalerei gehören die zierlichen Schreine und Kästchen, in 
denen Klöster und Kirchen die Reliquien ihrer Heiligen aufzubewahren 
pflegten. Herrliche Zeugnisse der klösterlichen Kunst sind die Psalter, 
die Meß- und Evangelienbücher, die von den Mönchen mit be¬ 
wundernswerter Sorgfalt und Feinheit auf Pergament geschrieben, 
mit herrlichen Initialen (Anfangsbuchstaben) und farbenprächtigen 
Malereien geziert waren. Diese Bücher waren mit Einbänden ver¬ 
sehen, deren kunstvoll gearbeite Elfenbeinschnitzerei, deren schön gestaltete, 
kostbare Beschläge und Schließen, deren Ausschmückung mit edlen 
Steinen noch heute unser Auge entzückt. Die Mönche, die dergleichen 
Dinge zu schaffen vermochten und deren Kunsterzeugnisse, wie uns die 
Klosterchroniken bezeugen, von ihren Zeitgenossen bewundert wurden, 
haben ihren Beruf als Lehrmeister des Handwerks und des Kunst¬ 
gewerbes trefflich erfüllt. — 
Ursprünglich hatten die unfreien Arbeiter ihre ganze Arbeitskraft 
und Arbeitszeit ihrem Grundherrn zu widmen; Befugnis zu eignem 
Gewerbebetriebe stand ihnen noch nicht zu. Lieferte der Handwerker 
die ihm auferlegte Stückzahl von Handwerkserzeugnisfen in gewünschter 
Güte regelmäßig und pünktlich ab, so gestattete man ihm wohl auch, 
in seiner freien Zeit für Kunden zu arbeiten, zunächst wohl für die¬ 
jenigen Angehörigen der eigenen Grundherrschaft, die nicht auf dem 
Herrenhose selbst wohnten und hier Verpflegung, Kleidung, Arbeits¬
	        
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