538
Physikalische Geographie. — I. Morphologie.
der Fälle sind die Gewässer den bereits von
gezeichneten Spalten und Furchen der Erdrinde
Regenguß läßt in weichem Boden die Spuren der
Wassers erkennen: die Rinne ist erweitert oder ver-
tieft, nach rückwärts verlängert und der Schuttkegel
au ihrem unteren Ende vergrößert.
Der Oberlauf eines Flusses ist hauptsächlich
der Sitz der ausnagenden, auswaschenden oder ero-
dierenden Kraft des Flußwassers. Hier ist das
Gefälle größer, und so werden mit Hilfe des reichlich
vorhandenen und leicht beweglichen Geschiebes die
härtesten Gesteine vom Fluß durchnagt sBild 293) und
das Bett zu Rinnen und Schluchten vertieft. Eigen-
tümlich ist allen Gebirgswassern, daß die tnlbildende
Auswaschung auch rückwärts nach der Quelle zu statt-
findet. Auf diese Weise werden Gebirgssättel durchsägt.
Namentlich die Wasserfälle haben das Bestreben,
die Terrasse, über die sie abwärts stürzen, nach rück-
wärts zu durchsägen. Es tritt das sehr deutlich bei
den Niägarafällen hervor, die bis jetzt durch Zer-
nagung der sie tragenden Terrasse sFig. 295) rund 12km
zurückgegangen find, indem der Stoß des Wassers erst
die weiche untere Schieferschicht zerstört, so daß dann
die harte obere Kalkschicht nachstürzt. Der Hufeisenfall
ist nach Gilbert von 1842 — 1905 um 80—90, der
Amerikanische Fall um etwa 5 m zurückgegangen, also
um 1,2 bis 1,5 bzw. 0,08 in im Jahre, im Durchschnitt
0,72 m. Unter Zugrundelegung dieser Durchschnitts-
zahl würde das Alter der Fälle auf rund 14 500
Jahre zu berechnen sein, wenn es gestattet wäre, ein
gleichmäßiges Rückwärtsschreiten der Ausuagung au-
zunehmen. Die Geschichte der Fälle ist jedoch ziemlich
verwickelt, denn der Ontärio-Spiegel war einmal 100m
nnter den jetzigen Stand gesunken, dann stieg er durch
Zudrang von Seewasser 70m über jenen. Die jetzige
Höhe wurde durch das Einschneiden des St. Lorenz-
stromes geschaffen. So bewegen sich denn die Schät-
zungen für das Alter der Fälle zwischen 7000 und
50 000 Jahren. Haben die Fälle dereinst die letzte
Schranke bei Bnsfalo fortgeräumt, so muß sich der
Spiegel des Erie-Sees bis zu dem jetzigen Spiegel des
Flusses unterhalb der Fälle senken, und dies wird anch
das Schicksal der übrigen Kanadischen Seen sein, die in
abgestufter Ebene übereinander liegen. Alle jene Seen-
becken sind für ihre Größe nur schwache Depressionen,
die sich schon bei geringen Niveauschwankungen mit
Wasser füllen konnten. Vor der Eiszeit lag das Land
der Bodenbildung vor-
gefolgt. Schon jeder
Tätigkeit des fließenden
M ! |
I
i i
cJ
11 §
3
m
' J ri
s
bß
•y-S
cn
ö
i
c!
K
'1 ]
Q (9