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I, Länderkunde Europas.
§ 231. Das Tal der Sambre und Maas scheidet es im NW. von Mittel-
belgieu. Dieses wesentlich jüngere Erdgebilde erstreckt sich nw. bis in die
Nähe der Schelde. Es ist ein fruchtbares, von teils tief eingeschnittenen
Flnßtälern durchzogenes Hügelland, das längs des n. Ufers von Maas
und Sambre reiche, weit ausgedehnte Steinkohlenfelder aufweist.
§ 232. Niederbelgieu, das geologisch jüngste Gebilde des Landes, ist die
sw. Fortsetzung der Norddeutschen, und zwar der Niederrheinischen
Tiefebene. Abgesehen von der versandenden Dünenküste ist der Boden
äußerst fruchtbar, der Garten Belgiens. Die Schelde durchzieht das
Tiefland in der Richtung von SW. nach NO. Überhaupt führen die belgi-
schen Flüsse von der französischen Seite des Landes — als Wegweiser für
den Verkehr — nach der deutschen hiu.
§ 233. Das Klima ist ozeanisch (s. § 10ff.). Die Niederschläge sind im Küsten¬
gebiete häufig, aber von kurzer Dauer. Sie nehmen mit der Steigung des
Landes zu, die Wärme dagegen ab: so haben die Ardennen die größte
Feuchtigkeit, aber die geringste Wärme.
§ 234. Die Erwerbstätigkei.t entspricht der Natur des Landes. Der in der Ebene und
im Hügellande meist fruchtbare Boden dient ebenso wie die geschützten Ardennen-
täler ergiebigem Ackerbau (Brotgetreide, Flachs, Zuckerrüben) und Gartenbau
und der Großviehzucht (schwere Pferde). Zm kohlen- und eisenreichen
Sambre- und Maasbecken blüht die Großindustrie, namentlich in Metall-
und Leinenwaren, uud verleiht dem Laude das Gepräge eines hervorragenden
Industriestaates. Ihr verdankt das kleine Land die größte Volksdichte in
Europa (abgesehen vom Kgr. Sachsens und das dichteste Eisenbahnnetz^
der Welt, das durch zwei Flußstraßeu und mehrere Kanäle unterstützt wird.
Zurzeit werden jährlich für annähernd 2 Milliarden.Mark Erzeugnisse der Groß-
Industrie versandt, die meist auf englischen Schiffen in alle Welt gehen, soweit
sie nicht nach Frankreich und Deutschland wandern.
§ 235. Bevölkerung. In dem Vermittlnngslande zwischen Frankreich und dem
D. R. ist die Bevölkerung national gemischt, aber geeint durch die
fast ausschließlich herrschende katholische Kirche. Die germanischen Fla-
mingen oder Flamäuder, die Bewohner des Tief- und u. Hügellaudes
(f. Völkerkarte), machen etwas mehr als die Hälste der Bevölkerung aus,
aber die Sprache der Gebildeten, der Literatur, des öffentlichen Lebens ist
vorwiegend das Französische, die Muttersprache der Bewohner des Maas-
und Sambrebeckens und des Ardeuueulaudes, der Wallonen. Die Grenze
zwischen beiden Nationalitäten verläuft vou O. uach W. Eine große Zahl
der Belgier ist beider Sprachen gleich kundig.
§ 236. Die Besiedlung des Ardennenwaldes ist dünn. Größere Städte hat erst
das industriereiche Becken der Maas und Sambre: im fruchtbaren
Hennegau *Mons [mong§], deutfch Bergeu, an der Einmündung des Schelde-
kanals in die Sambre *Eharleroi, den Kohlenmarkt. ^Namnr an wichtiger
Straßenkreuzung, bekannt durch Stahlindustrie (Messer), Hauptstadt der ^gleich-
1 Sachsen hat 63 E. auf 1 qkm mehr.
2 1903 kamen 23,l km Bahnlänge auf 100 qkrn (gegen 10,17 km im D. R.).