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Zehn Lesestücke aus der geographischen Literatur.
Wir können kaum schlafen. Hoffentlich sind wir morgen am Ende. Sobald der Wind
nachläßt, marschieren wir so weit als möglich nach Süden, hissen die Fahne und wenden
uns heimwärts. Hauptsächlich sorgen wir uns darum, ob die Fährte vom Sturm
verweht werden wird, die allein uns zum Depot zurückbringen kann; auf dieser Schnee-
wüste können wir keine Anhaltspunkte für Messungen finden. Wir haben uns einem
ernsten Risiko ausgesetzt, doch nun heißt's: Durchfechten und auf Gott vertrauen!
8. Januar. Wieder den ganzen Tag hindurch in den Schlafsäcken unter phyfi-
fchen Schmerzen an Händen und Füßen und infolge des Hungers, doch bedeutend
größeren mentalen Qualen, denn wir können nicht vorwärts, und dieser Gedanke
macht uns zittern. Hin und wieder erstarrt eines der acht Beine, und der unglückliche
Besitzer muß versuchen, den Fuß aus dem Schlafsacke herauszubekommen und ihn
unter das Hemd seines wahrscheinlich ebenso unglücklichen Nachbars zu stecken. Doch
ein Stückchen müssen wir noch vom südlichsten Süden erobern, coüte que coüte, und
ungeachtet dessen, daß unsere Kräfte bei einem Froste von 46° R rapid sinken; der
Sturm heult durch die dünnen Zeltwände, durch deren Risse und Löcher der Schnee
dringt und sich auf unsere Schlafsäcke legt, die dadurch total durchnäßt werden. Krampf
tritt jetzt immer häufiger auf; der Schnee hat sich in unserem Zelte derart aufgetürmt,
daß wir uns kaum noch bewegen können. Es stürmte furchtbar den ganzen Tag hin-
durch; einige Stöße müssen über 110—127 Kilometer per Stunde stark gewesen sein.
Jetzt abends scheint der Sturm etwas nachzulassen; sollten wir uns darin nicht täuschen,
sind wir sofort auf den Beinen und stürmen selbst nach Süden. Damit wäre das Ende
erreicht. Unser Proviant ist jämmerlich klein, dazu eine Höhe von 3537 Meter, und es
ist kaum möglich, das notwendigste bißchen Wärme in unseren Körpern bei diesen
armseligen Mahlzeiten zu halten. Wir haben nichts zum Lesen; auch unsere Bücher
mußten im Depot zurückbleiben; es ist entsetzlich öde, ohne die geringste Beschäftigung
im Zelte zu liegen, denn schreiben läßt sich bei dieser Kälte nicht viel.
9. Januar. Und nun hinaus und vorwärts zum Sturme. Marsch! Marsch!
Auf 88°23' südlicher Breite und 162° östlicher Länge schoben wir den Riegel vor.
Um l Uhr morgens ließ der Wind nach, und schon um 2 Uhr nahmen wir unser Früh-
stück. Um 4 a. rn. brachen wir nach Süden auf; wir hatten nichts weiter bei uns als
den Union-Jack der Königin, einen Messingzylinder mit Siegeln und Dokumenten,
Kamera, Fernglas und Kompaß. Um 9 a. in. hatten wir, halb laufend, halb mar-
schierend, 88° 23" südlicher Breite über eine durch den letzten Schneesturm stark gehärtete
Oberfläche erreicht. An dieser Stelle hißten wir die Standarte Ihrer Majestät der
Königin, dann die Nationalflagge und nahmen im Namen des Königs von diesem
Plateau Besitz. Während der Union-Jack in dem eisigen Winde flatterte, der uns bis
auf die Knochen drang, sahen wir mit unseren starken Ferngläsern nach Süden, doch
nichts war auf dieser totenbleichen Ebene zu erkennen. Nach dem Pole zu zeigte sich
auf dem Plateau nicht die geringste Unterbrechung oder irgendwelche Veränderung.
Wir sind uns nun darüber im klaren, daß das Ziel, welches zu erreichen uns nicht be-
schieden war, aus dieser Ebene liegt. Wir hielten uns nur wenige Minuten auf; der
Zylinder wurde an dieser südlichsten Stelle niedergelegt, dann die armselige Mahlzeit
vertilgt, und zurück ging es in Eilmärschen mit der Fahne der Königin. Wir erreichten
unser Lager um 3 p. in., doch wir waren derart ermattet, daß wir nur noch eine
Stunde weitermarschierten und schon um 5 p. rn. unser Lager aufschlugen. Tempe-
rawr 22,7° R Frost. Glücklicherweise waren unsere Fußspuren durch den Schnee-
stürm nicht verwischt worden. Und nun heimwärts! Mag uns dies auch dauern, doch
wir haben unser Bestes versucht!