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2. Ein Brief Doctor Martin Luthers an seinen
Sohn Hans.
Gnade und Friede in Christo, mein herzliches Söhn-
chen! Ich sehe gerne, dass Du wohl lernest, und
fleissig betest. Thue also, mein Söhnchen, und fahre
fort: wenn ich heim komme, so will ich Dir einen
schönen Jahrmarkt mitbringen. Ich weiss einen hüb¬
schen, lustigen Garten; da gehen viele Kinder innen,
haben güldene Köcklein an und lesen schöne Aepfel
unter den Bäumen, und Birnen, Kirschen, Spilling und
Pflaumen, singen, springen und sind fröhlich; haben
auch schöne kleine JTerdlein mit güldenen Zäumen
und silbernen Sätteln. Da fragte ich den Mann, dessen
der Garten ist, wess die Kinder waren. Da sprach er: »Es
sind die Kinder, die gerne beten, lernen und fromm sind.«
Da sprach ich: »Lieber Mann, ich habe auch einen
Sphn, heisst Hänschen Luther, möchte er nicht auch in
den Garten kommen, dass er auch solche schöne Aepfel
und Birnen essen möchte und solche feine Pferdlein
reiten und mit diesen Kindern spielen?« Da sprach der
Mann: »Wenn er gerne betet, lernet und fromm ist,so soll
er auch in den Garten kommen, Lippus und Jost auch und
wenn sie alle zusammen kommen, so werden sie auch
Pfeifen, Pauken, Lauten und allerlei Saitenspiel haben,
auch tanzen und mit kleinen Armbrüsten schiessen.«
Und er zeigte mir dort eine feine Wiese im Garten,
zum Tanzen zugerichtet, da hingen eitel güldene Pfeifen,
Pauken und feine silberne Armbrüste. Aber es war noch
frühe,dass die Kinder noch nicht gegessen hatten; darum
konnte ich des Tanzens nicht erharren, und sprach zu
dem Manne: »Ach, lieber Herr, ich will flugs hingehen,
und das Alles meinem lieben SöhnleinHänschen schreiben,
dass er ja fleissig bete und wohl lerne und fromm sei,
auf dass er auch in diesen Garten komme, aber er hat
eine Muhme Lene, die muss er mitbringen.« Da sprach
der Mann: »Es soll ja sein, gehe hin und schreibeihm also.«
Darum liebes Söhnlein Hänschen, lerne und bete
ja getrost, und sage es Lippus und Justen auch, dass sie
auch lernen und beten, so werdet Ihr mit einander in
den Garten kommen. Hiermit sei dem allmächtigen Gott
befohlen, und grüsse Muhme Lenen, und gib ihr einen
Kuss von meinetwegen.
Coburg, Dein lieber Vater
Anno 1530. ' Martinas Luther.