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Erster Zeitraum.
ten hin flohen die Geschlagenen, bis das Dunkel der Nacht sie
dem Schwerte der Sieger entzog. Valens war am andern
Morgen nicht mehr unter den Lebenden, obschon man nicht
weiß, wie er geendet (I. 378). Ohne Nast walzten sich jetzt
die Massen gegen Adrianopel und gegen die kaiserliche Haupt¬
stadt. Doch ließen sie bald von der vergeblichen Belagerung
ab und begnügten sich damit, gewissermaßen die Herren des
ganzen Landes bis zu dem Adriatischen Meere und den Alpen
zu seyn. Auch Gratian erwartete für den Augenblick keinen
Gewinn von der Fortsetzung des Kampfes. Er halte mit der
Sorge für das Reich einstweilen übermäßig zu thun. Der Tod
seines Oheims rief ihn auf den morgenländischen Thron, und
die dortigen Verhältnisse erforderten einen kräftigen Herrscher,
während er selbst in den diesseitigen Gegenden nicht fehlen durfte.
Also erhob er Theodosi'us, einen Spanier, auf den Thron des
Orients (I. 379). Dieser gewahrte bald, daß durch fernere
Feindseligkeiten nur unaufhörlich neue Schwierigkeiten, aus
einem friedlicheren Zusammenwohnen dagegen große Vortheile
für das Reich erwachsen müßten. Darum bereitete er den
Seinigen die segensreiche Wohlthat, durch billige Befriedigung
der Gothen sich ruhige Nachbarn und sogar neue Stützen des
Reiches zu erwerben. Das mißhandelte und durch Mißhand¬
lungen erbitterte Volk wollte auch nicht erobern, sondern nur
ruhig wohnen und friedlich seinen Acker bauen, wo es ohnehin
nicht an Platz fehlte. Fridigern war indeß bereits aus dem
Leben geschieden und Athanarich, wahrscheinlich dessen Nachfol¬
ger, gab willig den Vorstellungen des Kaisers Gehör. Gothen
sollten in dem Lande an der Donau bis weit in Thracien hin¬
ein, als in ihrer Heimat, wohnen und römische Bundesgenossen
seyn. Athanarich starb kurz darauf in Constantinopel, und der
Kaiser ehrte die gothische Nation in ihrem Fürsten durch eine
prachtvolle Begräbnißfeier.
Es war ein Glück für das Reich, daß es so kam; denn
im Innern entstanden neue Schwierigkeiten. Im Westen erhob
sich ein Herrscher, Maximius, gegen Gratian, durch welchen
dieser Reich und Leben verlor (I. 383), und dem Theodosi'us
wurde es schwer, den Empörer nach vier Jahren zu überwäl¬
tigen. Valentinian 2. erhielt damit von jenem die Verwaltung
des ganzen weströmischen Reiches. Aber auch dieser unglück¬
liche Knabe sollte des Lebens nicht lange froh seyn. Arbogast,
ein Franke, seiner vornehmsten Räthe einer, erschlug ihn meuch¬
lerischer Weise (I. 392) und setzte einen gewissen Eugenius
auf den Thron. Aber Theodosi'us kam und strafte die Empörer.
Eugenius wurde gefangen und enthauptet, Arbogast floh und
gab sich selbst den Tod. Theodosi'us wurde dadurch alleiniger