Full text: Das Deutsche Reich, Wirtschaftsgeographie und allgemeine Erdkunde (H. 3)

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Thüringerwald. Frankenwald. Volksstamm der Thüringer. 
fache Glasscheiben, Flaschen und Röhren, als auch wertvolle optische Instrumente, 
künstliche Glasaugen und zierlicher Christbaumschmuck, sowohl schlichte Tassen 
und Teller, als auch prächtige Vasen und Figuren hergestellt. Welchen Umfang die 
Industrie des Thüringerwaldes angenommen hat, ersieht man daraus, daß im 
Jahre 1910 für über 86 Millionen Mark Spielzeug und Christbaumschmuck in 
alle Teile der XDelt ausgeführt wurden. Großbritannien erhielt allein für über 
20 Millionen Mark, und die Vereinigten Staaten von Amerika bekamen für über 
28 Millionen Mark dieser Waren. Rber auch die Eisenindustrie blüht an verschie- 
denen Drten. Das Eisenerz der Schmalkaldener Gegend liefert nämlich ein vs^zug- 
liches Roheisen, das von der Bevölkerung verarbeitet wird. Überall glühen in den 
Dörfern die Herdfeuer, und es pocht und rauscht ein steter Betrieb in Hütte, Haus 
und Fabrik. In Sul)L(14) befinden sich Gewehrfabriken, und in andern Orten 
stellt man Nägel, haken, Ringe, Gartengeräte, Haus- und Küchengeräte, Finger- 
hüte, Schlittschuhe usw. her. Da Braun- und Steinkohlen nicht in ausreichender 
Menge gefördert werden, benutzt man vielfach Holzkohlen, die der Holzreichtum der 
Wälder liefert. Ruch die Wasserkräfte der Bäche und Flüsse werden ausgenutzt. Sie 
treiben besonders die Schleifsteine, auf denen die hergestellten Gegenstände blank 
und scharf geschliffen werden. In Ruhla (7), wo ebenfalls die Rleineisenindustrie 
blüht, verfertigt man namentlich aus Meerschaum Zigarrenspitzen und Tabak- 
pfeifen. Km Südabhange des Thüringerwaldes liegen Meiningen (17) und 
Coburg (24), die als Residenzen der herzöge von Meiningen und Coburg-Gotha 
Bedeutung haben. 
Der Frankenwald ist ein flachwelliges, gipfelarmes Hochland. In zahl- 
reichen Steinbrüchen (Lehesten) gewinnt man Schiefer. Man stellt daraus Schreib- 
stifte, Schiefertafeln, Dachziegel und Wetzsteine her, die ebenfalls bis in die fernsten 
Länder der Erde verschickt werden. 
Der Volksstamm der Thüringer. Die lebhafte Gewerbtätigkeit, die überall in den 
Thüringer Landen herrscht, sagt uns schon, daß die Bewohner ein rühriges, betriebsames 
Volk sind. Wer aber Gelegenheit hat, mit ihnen bei der Krbeit und beim Vergnügen zu- 
sammenzukommen, der weiß auch, daß sie mit Recht im Rufe der Gemütlichkeit stehen. 
„Bei der vorskirmes kann sich die thüringische Lust am Schmausen und Trinken wohl zum 
Übermaß versteigen, für gewöhnlich aber wird nüchtern und mäßig gelebt, obschon sich 
die Neigung zu heiterer Geselligkeit, zu Musik und Tanz niemals verleugnet. Wie rührend 
geringe Ansprüche macht der .wäldler' ans Leben! Das Gebirge hat ihn an Entbehrung 
gewöhnt, seinen Fleiß, seine Handgeschicklichkeit gezüchtet, ihn aber belohnt mit frohsinniger 
Empfänglichkeit für die Schönheit seiner Heimat. Er braucht nicht mit Hab und Gut zu 
geizen, denn er hat davon gewöhnlich nur soviel, wie er eben unumgänglich bedarf- die 
meist zahlreichen Rinder verdienen sich frühzeitig schon ein wenig in der Fabrik oder helfen 
mit beim Hausgewerbe. Kartoffelkost herrscht eintönig vor, aber gleich reichen Leuten halten 
sich die Thüringerwäldler ihre lieben Waldvögel zu fürsorglicher Pflege im Bauer, ja 
manche schlichte Hütte sieht man mit einer Vielzahl von Vogelbauern behängt. Mit dem 
Finken singt Bursche und Mädchen selbst um die wette- und wie gut steht es dem jungen 
Volk, wenn es nach Feierabend in Gruppen durch die vorfgassen schlendert und frohgemut 
das aus dem herzen kommende Lied aus hellen Kehlen hören läßt: ,'s ist mer alles eins, 
'Z ist mer alles eins, ob ich Geld Hab oder habe keins'."
	        
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