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war Polygnotos, der von der Insel Thasos stammte und unter
Kimon in Athen das Bürgerrecht erlangte. Er schmückte öffentliche
Gebäude, z. B. die Halle, welche ein Verwandter Kimons um den
Marktplatz hatte erbauen lassen, mit historischen Bildern. Doch sind seine
lebensgroßen Figuren noch altertümlich streng, die Linien des Körpers
und die der Gewänder sind noch nebeneinander gezeichnet.
Die Dichtkunst wandte sich mehr und mehr dem Drama zu.
Diese Gattung der Dichtkunst entstand ganz allmählich aus den Ge¬
sängen und Tänzen bei der Dionysosseier und erhielt schon zur Zeit
des Pisistratus eine gewisse Selbständigkeit. Bei den Dionysien
trat ein Chor auf, der mit rhythmischen Tänzen, mimischen Dar¬
stellungen und Gesängen die Thaten des Gottes pries. Allmählich
trat der Vorsänger dem Chore gegenüber, und ebenso bildete seine
Darstellung, das ist seine mimischen Handlungen und seine Gesänge,
ein Ganzes für sich, zu dem die Darstellungen und Gesänge des
Chores gleichsam nur begleitend und ergänzend hinzukamen. Indem
nun weiter der Mime sich ganz in die Personen und Handlungen ver¬
setzte, die er zur Darstellung bringen wollte, wurde er zum Schau¬
spieler, der seine eigene Persönlichkeit ansgiebt, indem er eine andere
vorführt. Der Chor drückte nun nur die allgemein menschlichen Em¬
pfindungen über das Gesehene und Gehörte aus. Der erste Dramen¬
dichter war Thespis, der unter der Herrschaft des Pisistratus in
Athen Tragödien aufführte. Denn in der Regel war der Dichter
Zugleich Schauspieler. Bald darauf entstand auch das Lustspiel oder
Satyrspiel, welches in possenhafter Weise mythologische Scenen zur
Darstellung brachte.
Die dramatische Dichtung erreichte ihre Höhe unter den drei
großen Tragikern Äschylos, Sophokles und Enripides. Äschylos
aus Eleusis hielt sich abwechselnd in Athen und Syrakus aus, wo
der Tyrann Hieron Künstlern aller Art ein Asyl bot. Er hatte
selbst an den Perserkriegen teilgenommen, und sein Bruder war bei
Marathon während des Kampfes um die Schiffe getötet worden.
Am bekanntesten ist sein Drama „die Perser", dann mehrere Trilogien
(drei denselben Sagenstoff stufenweise behandelnde Tragödien und ein
Satyrspiel) wie Prometheus, Atreus re. Er führte einen zweiten
und im „Atreus" sogar einen dritten Schauspieler ein. Die lyrischen
Betrachtungen des Chores nehmen einen großen Raum ein, die Hand¬
lung ist dürftig und ohne jede Verwicklung, aber die Charaktere sind
scharf ausgeprägt, und die schöne, kraftvolle Sprache in Verbindung
mit der höchsten sittlichen und religiösen Begeisterung macht einen ge¬
waltigen Eindruck. Er starb im Jahre 456 in Gela in Sicilien.
Pfalz, Geschichte. I. 7