großen Antheil an der römischen Größe beimesscn. Durch Len ganzen Gang
der Geschichte werden wir sehen, wie oft alle Tugenden des Staats und des
Volks fruchtlos gewesen wären, wenn nicht das Schicksal Rom in Gefahren
gerettet und seine Triumphe vorbereitet hätte. Die Völker und die Männer,
denen Rom hätte unterliegen können, erschienen zu spät; in den Perioden
der Schwäche hatte es nur ihm nicht überlegene Gegner zu bekämpfen, und
während Rom Alles an Alles setzte und im Kriege lebte, schonten andere
Völker ihre Anstrengungen, weil sie am Siege verzweifelten oder im Grunde
ihres Herzens nur weichliche Muße liebten. Keines unter allen ging ihm
mit ähnlichem Sinn und einem ähnlichen Ziele entgegen, und schon darum
mußte Rout über alle siegen. Philipp's Ruhe am Anfange des hannibali-
schen Krieges, Mithridates' Unthätigkeit, so lange der marsische Krieg Roms
Dasein bedrohte und ein kleines Uebergewicht entschieden haben würde, darin
verkenne keiner Gottes Finger. Denn daß Rom nicht angeboren unüberwind¬
lich war, ist erwiesen durch den Widerstand kleiner ächt kriegerischer Völker,
die nur durch die Zahl und Macht überwältigt wurden; so aber dienten auch
diese Kriege in den Zwischenräumen zwischen den größeren und entscheidende¬
ren, der Ausartung der Disciplin und Kriegskunst vorzubeugen, welche lan¬
ger Friede auch bei den römischen Heeren leicht einführte.
Im Fortgang der Begebenheiten, als Roms Eroberungen in einen Kör¬
per verwuchsen, verliert die Geschichte gänzlich das moralische und poetische
Interesse der vorigen Jahrhunderte, welches schon längst durch Zerrüttungen
und Gräuel und das Absterben aller einheimischen Tugenden getrübt war.
Doch aber, wie vieles auch die römische Herrschaft zertreten hat, dankbar
müssen wir erkennen, was sie stiftete und erhielt. Sie hat fast alle Städte
gegründet oder belebt, welche innerhalb ihres alten Ursprungs noch jetzt be¬
stehen; die Sprachen des westlichen Europa, aus der lateinischen erzeugt, er¬
hielten ihre Litteratur zugänglich, und machten ihre Wiederbelebung möglich.
Ja, die römische Herrschaft hat ohne Zweifel Griechenland und die griechi¬
schen Schriften erhalten, denn wäre der Osten nicht durch die Kräfte eines
großen Reiches geschützt worden, so hätten die Barbaren diese entvölkerten
und geschwächten Gegenden wahrscheinlich schon sehr früh, unfehlbar aber in
den Zeiten der großen Völkerbewegungen, überwältigt, und mit den entarte¬
ten Griechen auch die Schätze vertilgt, welche sie für auflebende Jahrhunderte
bewahrten. Die Geschichte aller Völker der alten Welt endigt in der von
Rom, und die aller neueren Völker ist aus der von Rom entstanden. Sie
zeigt uns ein Volk, welches bei seinem unbedeutenden Anfange einem kleinen
Saatkorn glich; aber diese ursprüngliche unbedeutende Bevölkerung wurde
groß, theilte ihren Charakter Hunderttausenden mit und wurde die Beherrscherin
der Völker vom Aufgang bis zum Niedergang der Sonne. Das ganze west¬
liche Europa nahm die Sprache der Römer an, und seine Einwohner be¬
trachteten sich als Römer. Die Gesetze und Einrichtungen der Römer erlang¬
ten eine solche Bedeutung und Dauer, daß sie sogar noch im gegenwärtigen
Augenblick fortdauernd ihren Einfluß über Millionen von Menschen behaup¬
ten. Eine solche Entwicklung ist ohne Vergleich in der Geschichte der Mensch¬
heit. Vor diesem Stern erbleichen und verschwinden alle andern. Außerdem
müssen wir die Größe der einzelnen Individuen und ihrer Thaten bedenken, den
außerordentlichen Charakter der Einrichtungen, welche die Grundlage von Roms
Größe bildeten, und die Ereignisse, welche an Großartigkeit alle andern über¬
treffen; alles dieses gibt der römischen Geschichte Wichtigkeit und Dauer.