fullscreen: Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt

312 XVIII. §. 9. Umsturz der Kirche in Aegypten, Afrika und Spanien. 
§. 9. Umsturz der Kirche in Aegypten, Afrika und 
Spanien. 
Zur selben Zeit, da die Heere des Omar nach Osten hin daS 
morsche Sassanidenreich überschwemmten und zertrümmerten, waren 
nach Westen hin die Racheschaaren ausgescndet gegen Aegypten und 
die übrigen Länder der afrikanischen Nordküste. Jetzt haben wir 
es fast vergessen, daß diese Länder einst zu den blühendsten Christen¬ 
staaten gehörten; die mohamedanische Herrschaft ist dort so tief ge- 
wurzelt, der Leuchter des Evangeliums ist dort so gänzlich von seiner 
Stelle gestoßen, daß in Aegypten nur noch ganz traurige Ueberreste, 
in den übrigen afrikanischen Ländern gar keine Spur mehr von den 
alten Christengemeinden übrig geblieben ist. Und doch welch ein 
Reichthum der Erkenntniß, welch ein Eifer der Zucht war gerade in 
diesen Gegenden in den ersten Jahrhunderten zu finden. Die größten 
Kirchenlehrer des Alterthums, ein Clemens, ein Origenes und 
Athanasius, ein Tertullian, ein Cyprian, ein Augustinus 
— entweder Alexandrien oder Karthago ist der Schauplatz ihrer Thä- 
tigkeit. Die ersten Bildungsstätten für gelehrte Theologie, die ersten 
Anachoreten, die ersten Klöster, die, ehe sie zu Sitzen der Faulheit, 
des Lasters und des Zankes ausarteten, eine heilige Absonderung von 
dem fleischlichen Treiben der Welt und ausschließliche Beschäftigung 
mit geistlichen Dingen erzielten — wir haben sie in Aegypten zu su¬ 
chen. Die staunenswerthesten Thaten christlichen Heldenmuths in den 
Verfolgungszeiten der ersten Jahrhunderte, sie begegnen uns in Kar¬ 
thago und den benachbarten Städten Nordafrika's. Wer hätte doch 
denken können, daß das Meer von Licht, welches gerade von diesen 
Ländern weithin strahlte, so gänzlich sollte ausgelöscht werden! Aber 
wir wissen es ja schon: es war längst trübe geworden, ja das geist¬ 
liche Auge der dortigen Christen selbst war Finsterniß geworden, ehe 
die Finsterniß des Islam sich auch äußerlich wie eine schwarze Decke 
darüber lagerte. Gerade in Aegypten war jene schon geschilderte Ver- 
unheiligung des Heiligen am weitesten getrieben. Unter den end¬ 
losen Streitigkeiten über theologische Begriffe war der Glaube und die 
Liebe gänzlich dahin. Die monophysitischen alten Aegypter haßten ihre 
griechisch-katholischen Oberherren mit viel grimmigerm Haß, als sie die 
Heiden oder Juden hassen konnten. Deshalb, sobald der arabische 
Feldherr Omar mit seinem mohamedanischen Heere einrückte, fielen sie 
sofort ihm zu, schlossen einen Vertrag mit ihm, wodurch ihnen die 
Ausübung ihrer christlichen Religion gesichert wurde, und halfen dann 
selbst, die griechischen Statthalter, Beamten und Besatzungen zu ver¬
	        
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