— 68 —
Das hier vertretene Prinzip der Anschaulichkeit ist
eigentlich schon längst alt genug, um endlich einmal tat-
sächlich durchgeführt zu werden. Ein Dörpseld hat gelehrt
und gewirkt, gekämpft und gestritten für eine richtige
Gruppierung der Lehrgegenstände und hat unwiderlegliche
Nachweise erbracht. Er ist gestorben; aber die Schule hat
seine Ideen immer noch nicht verwirklicht. Von ver-
schiedenen Richtungen der Philosophie, von mannigfaltigen
Berufsklassen, von den gegensätzlichsten Parlamentsparteien
schallt uns der Vorwurf des Mechanismus, verkehrter
Lebensanschauung, der Verkennung wirklicher Volksbedürf-
nisse, der Äußerlichkeit und Oberflächlichkeit :c. entgegen.
Lesen, Schreiben, Rechnen — aber gut, das verlangt man
andererseits ausschließlich. Ach! Das Lesen, Schreiben,
Rechnen, das ist eben die berühmte Pflanze, die keine
Wurzeln und Blätter hat, ist ein Gewächs, das wohl
kümmerliche, taube Blüten treibt, aber keine Frucht. Die
Wurzeln und Blätter, welche die Nahrungszufuhr zu be-
wirken hätten, gute Anschauungen, liegen abgeschnitten im
Realienunterricht. — Wie kann man aber dem Prinzipe
der Anschauung genügen, wenn man das wohlfeilste, beste,
ja einzig mustergültige Anschauungsmittel, eben die Heimat-
natur mit allen ihren Erscheinungen und der unerschöps-
lichen Fülle ihrer Gestalten, Verhältnisse und Zustände
verschmäht oder ganz stiefmütterlich behandelt, statt sie zur
Grundlage, zum Ausgangspunkte und gewissermaßen auch
wieder zum Ziele auf höherer Stufe für den gesamten Unter-
richt zu machen?
Unserer Volksschule wird vorgeworfen, daß sie sich
beim Volke keiner besonderen Beliebtheit erfreue. Gleich-
zeitig gründet man Landwirtschafts- und Winterschulen, zu
deren Besuch kein Zwang besteht. Diese Schulen füllen
sich aber, und damit ist der Beweis für deren Notwendig-
keit geliefert. Auf deutsch heißt das: Die Volksschule und