C. Das Meer.
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2. Flut und Ebbe (Gezeiten, Tiden). Man versteht darunter
das regelmäßige, zweimal des Tages (genauer in 24 Stunden 50 Minuten)
eintretende Steigen und Fallen des Meeresspiegels.
a) Die Ursache dieser Erscheinung ist vorzugsweise die Anziehungs-
kraft unseres nächsten Weltkörpers, des Mondes, zum geringeren Teil
der zwar viel größeren aber ungefähr 400mal weiter von der Erde ent-
fernten Sonne. Die fluterzeugende Kraft des Mondes ist nngefähr 21f5mal
größer als die der Sonne.
b) Erklärung der Erscheinung (Fig. 114). Es sei N der
Mond und AB CD die Erde, die wir uns ganz mit Waffer bedeckt denken
wollen. Die Erdstelle A, weil dem Monde näher
als der Mittelpunkt 0, wird stärker angezogen
als dieser, sobald der Mond über A kulminiert.
Es entsteht daher infolge der leichten Verschieb-
barkeit der Wasserteilchen eine Flutwelle in Ai.
Die Erdstelle B ist am weitesten vom Monde ent-
fernt und wird deshalb am geringsten angezogen,
jedenfalls in geringerem Grade als der Mittel-
Punkt 0. Die Wassermassen folgen daher bei B
der Anziehungskraft des Mondes weniger stark als
die übrige Erde und erzeugen hier eine zweite Flut-
welle Li. Dagegen ist auf den von der beider-
seitigen Welle um 90 Längengrade entfernten Meri- c
dianen Ebbe, weil von dort die Wasserteilchen
nach den Flutseiten abgelenkt werden; es geht also
in C das Wasser nach Ci zurück und ebenso in D
nach Di.
Wenn der Mond trotz seiner weit geringeren
Masse eine stärkere Anziehungskraft auf die Wasser-
massen der Erde ausübt als die Sonne, so kann hiervon nur der Unter-
schied in der Anziehungskraft von Sonne und Mond auf den nächsten oder
fernsten Punkt der Erde und deren Mittelpunkt die Ursache sein. Nun
kommt gegenüber dem Abstand der Sonne von der Erde (150000000 km)
der Erdradius (6375 km) fast gar nicht in Betracht. Es wird daher die
Erdstelle A (Fig. 114) von der Sonne nur mäßig stärker angezogen als
der Mittelpunkt 0, demzufolge auch die Entfernung zwischen A und 0
sich nur wenig verändern. Dasselbe gilt für die Erdstellen 0 und B.
1 Die Sonne ist ihrer Masse nach gleich 324 000 Erden, die Erde gleich
80 Monden.