264 D. Aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte.
allmählich geschwunden. Die Kriegs- und Domänenkammern hatten sich
in die Städteverwaltung immer mehr eingemischt und dieselbe schließlich
ganz an sich gezogen. Die städtischen Beamten, meist verabschiedete
Offiziere und Zahlmeister, wurden von ihr ernannt und hatten lediglich
ihre Anordnungen auszuführen. Die Bürgerschaft war ohne Anteil
am Stadtregimeute. — Durch die am 19. November 1808 veröffentlichte
Städteordnung gab Friedrich Wilhelm III. den preußischen Städten das
kostbare Geschenk der Selbstverwaltung. Dieselbe wird durch die
Stadtverordneten und den Magistrat ausgeübt. Die ersteren sind die
Vertreter der gesamten Bürgerschaft, deren Wahl sie zu ihrem Ehren¬
amte berufen hat. Sie haben über alle städtischen Angelegenheiten zu
beraten, und von ihren Beschlüssen ist das Wohl und Wehe der Stadt
abhängig. Die Vorbereitung und Ausführung derselben ist Sache des
Magistrats. Dieser wird von den Stadtverordneten gewählt, und nur
ein Teil seiner Mitglieder, darunter das Haupt, der Bürgermeister, ist
besoldet. Für diejenigen Zweige der Stadtverwaltung, welche eine
dauernde Aufsicht erfordern, werden aus Magistratsmitgliedern und
Stadtverordneten besondere Deputationen gebildet. — So giebt die
Städteordnung jedem Bürger Gelegenheit, an den Gemeindeangelegenheiten
mitzuwirken, und trägt hierdurch fortgesetzt zur Förderung von Bürgersinn
und Vaterlandsliebe bei. Die Rechte des Staates aber sind dadurch
gewahrt, daß er sich die Oberaufsicht vorbehalten hat.
Freiherr vom Stein. Des Königs hervorragendster Gehilfe in der
Reform des Staatswesens war der Freiherr vom Stein. Er stammte
aus einem alten Reichsrittergeschlechte im Nassauischen und war von
Jugend auf im preußischen Staatsdienste thätig gewesen. Sowohl in
der Verwaltung der westfälischen Landesteile, als auch in seiner späteren
Stellung als Finanzminister hatte er sich Verdienste gesammelt, aber auch
die Mißstände im Staatsleben kennen gelernt. Furchtlos deckte er die¬
selben noch vor dem Kriege in einer dem Könige überreichten Denkschrift
auf. Als dieser nach dem Friedensschlüsse an die Neugestaltung des
Staates ging, erkannte er in Stein den rechten Mann für die
Durchführung seiner Pläne und stellte ihn an die Spitze der gesamten
Staatsverwaltung. An den segensreichen Reformen jener Tage hat
Stein einen so hervorragenden Anteil, daß dieselben oft nach ihm
benannt werden. Schon die Zeitgenossen priesen ihn als „des Guten
Grundstein, des Bösen Eckstein, der Deutschen Edelstein". Seinem
Wirkungskreise in Preußen wurde er zu rasch entrissen. Ein Brief,
in welchem er aufforderte, den Geist des Widerstandes gegen die
Fremdherrschaft auch im Königreich Westfalen zu entzünden, wurde
aufgefangen. Friedrich Wilhelm III. sah sich genötigt, in Rücksicht auf
den allgewaltigen Franzosenkaiser den verdienten Minister zu entlassen.
Napoleon ächtete denselben zwar, doch entkam er nach Rußland und
fand auch dort Gelegenheit, der Befreiung des deutschen Vaterlandes
zu dienen. — In Preußen setzte der Freiherr von Hardenberg die
von Stein begonnenen Reformen fort.