Full text: Zeit der alten Deutschen bis zur Reformationszeit (Bd. 1)

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Er sagt sich: 
Die Schule ist schuld daran. Da giebt es nun Stadtschulen und 
Klosterschulen, in denen die zehn Gebote, der Glaube und das Vaterunser 
auswendig gelernt werden sollen. Aber ist es ein Wunder, wenn die 
Leute nichts tonnen? SBird doch alles ohne jede Besprechung und Er¬ 
klärung eingeprägt und überhört. Habe ich doch an mir' selbst er¬ 
fahren, wie ich in Mansfeld „gemartert worden bin und doch nichts 
gelernt habe durch so viel Stäupen, Zittern, Angst und Jammer." Ist 
doch den Lehrern, Mönchen und Priestern oft das selbst unbekannt, 
was sie lehren sollen. 
Auch die Kirche ist schuld. Da sttzen die Leute im Gotteshause, 
sie singen, beten und beichten, sie hören und lauschen. Aber verstehen 
sie denn auch die lateinischen Pater noster, das lateinische Sanctus, 
me lateinische Messe? Es kann gar nicht anders sein, das Volk muß 
der solchen Zuständen in Unwissenheit, Aberglaube und Roheit ver¬ 
kommen. 
^ Außerdem lind die Bauern noch mit Arbeit überbürdet. Sie 
müssen ihr eigenes Feld und das ihres Gutsherrn bestellen, das Ge¬ 
treide einernten, den Wald abschlagen und Gräben ausführen. Wo soll 
noch Zeit und Lust zum Lernen herkommen? 
^ ^ie Gedanken Luthers über die Schule ergänzt ein 
Zeitgenosse, wie folgt: 
o //Wenn ich zurückdenke, wie es in meiner Jugend vor fünfzig 
Zähren in Schulen gestanden ist, und wie man darinnen gelehrt hat, 
>0 stehen mir die Haare zu Berge und schaudert mir die Haut, kann 
es auch unbeseuszt und unbeklagt nicht lassen, und es wäre zu wünschen, 
dafe die jetzige Jugend und Schüler nur den halben Teil wissen sollten, 
was zu derselben Zeit die armen Schülerlein für Elend, Jammer, Frost, 
Hunger und Kummer haben erleiden und erdulden müssen und wie sie 
Dagegen so gar übel und unrichtig sind gelehrt und unterwiesen worden, 
denn in gemeinen Schulen war eine solche Varberei und Unrichtigkeit 
un Lehren, daß mancher bis 20 Jahre alt wurde, ehe er ein wenig 
Latein verstand und reden konnte. Zudem wurden die amen Knaben 
mit dem Singen dermaßen beschwert und gepeinigt, daß man von 
einem Feste zum andern kaum Zeit genug haben konnte, die Gesänge 
anzurichten und zu übersingen, wenn man gleich in der Schule sonst 
nichts zu lernen und zu lehren bedurft hätte. Die armen Kinder, die 
nach Parteken herum fungen, das waren recht natürliche Märtyrer. 
Wenn |ie in der Schule genugsam gemartert waren und in der Kirche 
erfroren, mußten sie dann erst hinaus auf die Gart (auf den Bettel), 
und wenn ue mit großer^ Mühe im Regen, Wind und Schnee etwas 
etfungen, mußten ste dasselbige den alten Bacchanten, welche daheim 
aus der Bärenhaut lagen, wie einem Drachen in den Hals stecken und 
ste, die Knaben, mußten Maul ab sein und darben. Dagegen sollten 
die Bacchanten sie unterweisen und mit ihnen repetieren und konnten 
oft selber nichts. Und wie die Lehrer waren, so roar. rt gemeiniglich auch 
schulen die garstigsten, unflätigsten Häuser, daß Bütteleien, Schinde- 
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