— 259 —
Er sagt sich:
Die Schule ist schuld daran. Da giebt es nun Stadtschulen und
Klosterschulen, in denen die zehn Gebote, der Glaube und das Vaterunser
auswendig gelernt werden sollen. Aber ist es ein Wunder, wenn die
Leute nichts tonnen? SBird doch alles ohne jede Besprechung und Er¬
klärung eingeprägt und überhört. Habe ich doch an mir' selbst er¬
fahren, wie ich in Mansfeld „gemartert worden bin und doch nichts
gelernt habe durch so viel Stäupen, Zittern, Angst und Jammer." Ist
doch den Lehrern, Mönchen und Priestern oft das selbst unbekannt,
was sie lehren sollen.
Auch die Kirche ist schuld. Da sttzen die Leute im Gotteshause,
sie singen, beten und beichten, sie hören und lauschen. Aber verstehen
sie denn auch die lateinischen Pater noster, das lateinische Sanctus,
me lateinische Messe? Es kann gar nicht anders sein, das Volk muß
der solchen Zuständen in Unwissenheit, Aberglaube und Roheit ver¬
kommen.
^ Außerdem lind die Bauern noch mit Arbeit überbürdet. Sie
müssen ihr eigenes Feld und das ihres Gutsherrn bestellen, das Ge¬
treide einernten, den Wald abschlagen und Gräben ausführen. Wo soll
noch Zeit und Lust zum Lernen herkommen?
^ ^ie Gedanken Luthers über die Schule ergänzt ein
Zeitgenosse, wie folgt:
o //Wenn ich zurückdenke, wie es in meiner Jugend vor fünfzig
Zähren in Schulen gestanden ist, und wie man darinnen gelehrt hat,
>0 stehen mir die Haare zu Berge und schaudert mir die Haut, kann
es auch unbeseuszt und unbeklagt nicht lassen, und es wäre zu wünschen,
dafe die jetzige Jugend und Schüler nur den halben Teil wissen sollten,
was zu derselben Zeit die armen Schülerlein für Elend, Jammer, Frost,
Hunger und Kummer haben erleiden und erdulden müssen und wie sie
Dagegen so gar übel und unrichtig sind gelehrt und unterwiesen worden,
denn in gemeinen Schulen war eine solche Varberei und Unrichtigkeit
un Lehren, daß mancher bis 20 Jahre alt wurde, ehe er ein wenig
Latein verstand und reden konnte. Zudem wurden die amen Knaben
mit dem Singen dermaßen beschwert und gepeinigt, daß man von
einem Feste zum andern kaum Zeit genug haben konnte, die Gesänge
anzurichten und zu übersingen, wenn man gleich in der Schule sonst
nichts zu lernen und zu lehren bedurft hätte. Die armen Kinder, die
nach Parteken herum fungen, das waren recht natürliche Märtyrer.
Wenn |ie in der Schule genugsam gemartert waren und in der Kirche
erfroren, mußten sie dann erst hinaus auf die Gart (auf den Bettel),
und wenn ue mit großer^ Mühe im Regen, Wind und Schnee etwas
etfungen, mußten ste dasselbige den alten Bacchanten, welche daheim
aus der Bärenhaut lagen, wie einem Drachen in den Hals stecken und
ste, die Knaben, mußten Maul ab sein und darben. Dagegen sollten
die Bacchanten sie unterweisen und mit ihnen repetieren und konnten
oft selber nichts. Und wie die Lehrer waren, so roar. rt gemeiniglich auch
schulen die garstigsten, unflätigsten Häuser, daß Bütteleien, Schinde-
17*