Object: Vaterländische Geschichtsbilder

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ihre Macht verloren hatten, erhoben sich aus dem Volke selber heraus 
Männer, um nach althergebrachter Sitte das Recht zu schützen und den 
Verbrecher zu strafen, auch wenn er der Strafe des ordentlichen Ge- 
richtes entgangen war. Es entstanden die Femgerichte (auch Frei- 
gerichte, Freistuhlsgerichte und heimliche Gerichte genannt) und wuchsen, 
namentlich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, zu einer Macht 
an, die sich über ganz Deutschland erstreckte, vor der kein Ansehen der 
Person galt und mancher vornehme Bösewicht, welcher der gemeinen 
Gerichtsbarkeit Trotz bot, zittern mußte. 
Der Name „Feme" stammt von dem altdeutschen „verfemen", 
was so viel bedeutet wie verbannen, verfluchen. Die Femgerichte ge- 
hörten dem Lande Westfalen an, durften nur dort „auf roter Erde", 
d. h. in dem Lande zwischen Weser nnd Rhein, gehalten werden; sie 
hingen nur vom deutschen Kaiser selber ab, und ihre Vorsitzer, die 
Freigrafen, empfingen vom Kaiser persönlich oder von seinem Stell- 
Vertreter, dem Kurfürsten von Köln, den Blutbann, d. h. das Recht 
über Leben und Tod. Ihren Ursprung leiteten sie von Karl dem 
Großen ab, der die Rechtsgewohnheiten der alten heidnischen Sachsen 
achtend, die Grafengerichte bei ihnen einführte, nachdem sie zum Christen- 
turne bekehrt worden waren. Denn schon in den ältesten Zeiten waren 
die freien Männer der Sachsen zu bestimmten Zeiten des Jahres, wenn 
sie ihre großen Opfer abgehalten hatten, zusammengekommen, um unter 
dem Vorsitz eines Grafen ein „Ding" abzuhalten und nach dem alten 
guten Recht zu strafen und Gerechtigkeit zu üben. 
Das Femgericht bestand aus einem Freigrafen und einer Anzahl 
Freischöffen oder Beisitzer, die man auch Wissende nannte, weil sie um 
die Geheimnisse der heiligen Feme wußten. Solcher Beisitzer mußten 
wenigstens 14 sein, gewöhnlich aber betrug ihre Zahl das Doppelte. 
Da es nicht verborgen blieb, wenn einer Freischöffe war, und dies zur 
Sicherheit seiner Person viel beitrug, weil man sich wohl hütete, einem 
Mitgliede der heiligen Feme Übles zu thun, so ließen sich allmählich 
Männer aus allen deutschen Gauen unter die Zahl der Freischöffen 
aufnehmen. Als Kaiser Sigismund am Freistuhl zu Dortmund 
„wissend" gemacht wurde, soll die Zahl der Freischöffen sich auf 100000 
belaufen haben, worunter viele Fürsten und Herren. Und gegen 1000 
Freischöffen sollen bei Verfemung des Herzogs Heinrich von Bayern 
im Jahre 1429 zugegen gewesen sein. Diese Ausnahme konnte nur
	        
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