Das Deutsche Reich. 61
kräftigen Bevölkerung. Ihre Zahl ist im Verhältnis zur Fläche sehr groß.
Auf dem 540 000 qkm umfassenden Lande wohnen 56 Millionen
Menschen. Diese sind vorwiegend deutscher Herkunft. Unter den Deutschen
unterscheiden wir einzelne Stämme. In Süddeutschland wohnen die
Schwaben, Bayern und Franken, in Mitteldeutschland Franken, Hessen
und Thüringer, Obersachsen und Schlesier, in Norddeutschland Haupt-
sächlich die Niedersachsen und Friesen. Hier treffen wir, namentlich im
Osten, auch viele Slaveu. An der westlichen Grenze leben Franzosen,
an der nördlichen Dänen. Die Bevölkerung gehört fast durchwegs der Reu-
christlichen Kirche an; etwa zwei drittel sind evangelisch, ein drittel katholisch.
Infolge der Stammesverschiedenheit und wohl auch der Mauuig- § 122.
faltigkeit der Bodengestalt machte sich im Laufe der Geschichte eiue fdJf^te>
Neigung zur politischen Zersplitterung geltend, aus der die Vielheit der
deutschen Staaten hervorgegangen ist. In die Geschichte tritt Deutschland
erst zu Beginn unserer Zeitrechnung durch die Kämpfe mit den Römern
ein. Das erste Deutsche Reich entstand nach dem Tode Karls des Großen
im 9. Jahrhundert. Aber schon im 10. Jahrhundert zerfiel es wieder
in einzelne Stammesherzogtümer, aus deueu schließlich mehrere der
jetzigen Staaten, wie Bayern, und einige der preußischen Provinzen sich
entwickelten. Im 16. Jahrhundert wurde durch die Reformation die
Zersplitterung von neuem gefördert. Die Niederlande und die Schweiz
lösten sich im Gefolge davon ab. Am Anfange des 19. Jahrhunderts
endete das alte Deutsche Reich. Nach der Knechtung durch Napoleon I.
erwachte aber das Nationalgefühl wieder. Allein ein einiges Deutsches
Reich entstand erst nach dem ruhmreichen Kriege 1870—71. Am 18. Januar
1871 riefen die deutschen Fürsten König Wilhelm I. von Preußen zum
deutschen Kaiser aus.
Das Deutsche Reich wurde nun eine der ersten Großmächte des 8
Erdteils. Sein Heer gilt für das tüchtigste. Zum Schutze seiner Küsten s^ng.
und des überseeischen Handels wurde eine starke Kriegsflotte geschaffen.
Der oberste Kriegsherr ist der Kaiser. Die einzelnen Staaten, welche sich
mit dem Deutschen Reiche verbündeten, zerfallen in kleinere Verwaltnngs-
bezirke, Preußen in Provinzen, Regierungsbezirke und Kreise.
Auch nach außen gewann Deutschland bedeutend an Macht und «°-
Auseheu. Im Jahre 1884 trat es unter die Kolonialmächte ein. Es Iomec,t'
gehören ihm heute in Afrika Deutsch-Ostafrika, Deutsch-SüdWest-
afrika, Kamerun und Togo und in der Südsee Dentsch-Neuguinea
oder Kaiser Wilhelmsland, der Bismarckarchipel, die nördliche
Salomonsinsel, die Karolinen und Marianen, die Marschall-
inseln und die westlichen Samoainseln.
Flächeninhalt, Bevölkerung und Hauptstädte der deutschen Staaten.
Die Staaten des Deutschen Reiches
|il
Bevölkerung
Hauptstadt
Einwohner in Tausenden
Königreich Preußeu
„ Bayern
„ Württemberg ....
„ Sachsen
350 000
76 000
19 500
15 000
35 000 000
6 200 000
2 200 000
4 200 000
Berlin 1890
München 500
Stuttgart 180
Dresdeu 480