Full text: Deutsche Geschichte bis 1648 (Teil 1)

sie nur diejenigen, welche sie sehen, und durch deren Segnungen sie offenbar ge- 
fördert werden: Sol, Vulkanus und Lima1); von den übrigen haben sie nicht 
einmal durch Hörensagen vernommen. Ihr ganzes Leben dreht sich um Jagden 
und Übungen zum Kriege; von klein auf gehen sie auf Arbeit und Abhärtung 
aus. Die, welche am längsten geschlechtlich unentwickelt bleiben, finden das größte 
Lob bei den Ihrigen; das, meinen sie, nähre stattlichen Wuchs, nähre die Kräfte 
und stähle die Muskeln. Vor dem 20. Jahre aber von einem Weibe gewußt zu 
haben, das zählen sie unter die schimpflichsten Dinge; dergleichen läßt sich nicht 
geheim halten, da sie einerseits gemeinschaftlich in den Flüssen baden, anderer- 
seits Felle oder kleine Schurzleder zur Körperbedeckung brauchen, wo dann ein 
großer Teil des Leibes nackt bleibt. 
22. Um Ackerbau kümmern sie sich nicht; der größte Teil ihrer Mhrung be 
steht in Milch, Käse und Fleisch. Auch hat keiner ein bestimmtes Maß Ackerland 
oder eigenen Grundbesitz, sondern die Obrigkeit und die Fürsten weisen immer auf 
ein Jahr den Stämmen und den Sippschaften, die unter sich zusammengetreten 
sind, Ackerland an, so viel und wo es ihnen gut dünkt, und zwingen sie, das Jahr 
danach anderswohin überzusiedeln. Dafür bringen sie viele Gründe bei: damit sie 
nicht, durch stete Gewohnheit verlockt, den Kriegseifer gegen Ackerbau vertauschten; 
damit sie nicht weiten Grundbesitz zu erwerben trachteten und die Mächtigeren die 
Niederen aus ihren Besitzungen verdrängten; damit sie nicht mit zu großer 
Sorglichkeit zum Schutz gegen Kälte und Hitze bauten; damit nicht etwa Geldgier 
aufkäme, woraus Parteiung und Zwietracht entstehe; damit sie das niedere Volk 
in guter Stimmung erhielten, wenn jeder sähe, daß sein Besitz mit dem der 
Mächtigsten gleich stände. 
23. Der Gemeinden größter Ruhm ist es, in möglichst weitem Umkreise das 
Land verheert und Einöden rings um sich zu haben. Das halten sie für ein 
Kennzeichen der Tapferkeit, daß die Grenznachbarn, aus ihren Ländereien ver- 
trieben, zurückweichen und niemand in der Nähe Fuß zu fassen vermag; zugleich, 
meinen sie, würden sie dadurch gesichert sein, indem die Furcht vor einem Plötz- 
liehen Einfalle schwände. Wenn eine Gemeinde Krieg, den man mit ihr angefangen 
hat, abwehrt oder selbst Krieg anfängt, so wird zur Leitung des Kriegs eine 
Obrigkeit gewählt, mit der Befugnis, Recht zu haben über Leben und Tod. Im 
Frieden gibt es keine gemeinsame Obrigkeit, sondern die Fürsten der Landschaften 
und Gaue sprechen unter den Ihrigen Recht und legen die Zwiste bei. Auf 
Räubereien steht keine Schande, wenn sie außerhalb des Gebiets der betreffenden 
Gemeinde vorfallen; ja, sie sprechen es ohne Hehl aus, sie würden unternommen, 
um die Jugend zu üben und die Trägheit zu mindern. Und hat einer der Fürsten 
in der Ratsversammlung erklärt, er wolle Führer sein, wer folgen wolle, möge sich 
melden, so stehen die auf, welche die Sache und den Mann gutheißen, ver- 
sprechen ihren Beistand und werden von der Menge gelobt; die von ihnen, welche 
dann nicht gefolgt sind, werden als Ausreißer und Verräter betrachtet, und in 
allen Dingen wird ihnen nachher Zutrauen verweigert. Gastfreunde zu verletzen, 
halten sie für sündlich; wer aus irgend einem Grunde zu ihnen kommt, den schützen 
sie vor Unbill und halten ihn heilig; solchen Gästen sind alle Häuser geöffnet, und 
man teilt mit ihnen die Nahrung. 
*) Sonne, Feuer und Mond.
	        
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