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trümmerung bleiben konnte, weil die Anziehungskraft des Blondes und der
Sonne in der flüssigen Erdmasse Ebbe und Flut, d. h. beständige Bewe-
gungen hervorrief. Wenn nun auch die dünne Decke in Schollen zerbröckelte,
sich wieder fügte und abermals barst, so mußte dieselbe doch endlich durch
die fortwährende Wärmeausstrahlung an Dicke und Konsistenz gewinnen.
Jetzt erst, nachdem anch die Temperatur der Atmosphäre bedeutend abge-
nommen hatte, war es dem Wasserdampf ermöglicht, sich zu einer tropfbar-
flüssigen Masse, zu Wasser zu vereinigen. Dadnrch entstanden die ersten
aus Wasser abgelagerten sogenannten Sedimentär- und Schichtgesteine, welche
begreiflicher Weise eine sehr einförmige Bildung zeigten. Sobald aber das
Wasser in erheblicher Menge durch eine Spalte auf die glühende Fläche
des Erdkerns gelangte, mußte sich eine ungeheure Masse Wasserdampf bil-
den, welcher durch die hohe Temperatur eine außerordentliche Spannkraft
erhielt. Mit einer unwiderstehlichen Gewalt dehnten sich die Dämpfe aus.
Sie mußten also die Erdrinde emporheben, sie stellenweise blasenförmig
auftreiben nnd durchbrechen. Auch die oben bemerkte flutende Bewegung
der feurig-flüssigen Masse im Innern der Erde verursachte Zerreißungen
der Oberfläche, und nicht minder wahrscheinlich ist es, daß die kristallinische
Beschaffenheit der allmählich erkaltenden und fest werdenden Erdrinde dieser
eine größere Ausdehnung gab und dadurch die noch flüssigen Massen zum
Ausbruch drängte. Denn krystallinische Körper nehmen Hänfig einen grö-
ßern Raum ein, als dieselben Körper, als sie noch flüssig waren, wie denn
z. B. Eis ein größeres Volumen hat, als das Wasser, woraus es entstan-
den ist. Aus diesen Ursachen erklären sich auch die allmählichen, langsamen
Hebungen und Senkungen ganzer Landstriche, die zu allen Zeiten stattfan-
den uud theilweise heute fortdauern. Sie sind nicht nothwendig mit Ans-?
brüchen verbunden, können aber solche herbeiführen. Sodrang denn aus
dem Innern nach der äußern Kruste eine feurig-flüfsige Masse, die söge-
nannten Eruptivgesteine, Granit, Porphyr, Basalt :c., von denen eben die
geschichteten Gesteine so vielfach durchsetzt sind. Je tiefere und spätere Ernp-
tivgesteine sich emporhoben, desto verschiedenere Bestandtheile mußten sie
bringen, und deshalb unterscheidet man auch zwischen älteren und neueren
Eruptivgesteinen. Betrachten wir jetzt die Oberfläche nnsers Erdballs, so
sieht dieselbe freilich ganz anders aus. Wie viel Millionen von Jahren
es aber bedurfte, um diese Umgestaltung zu bewirken, das läßt sich mit
Genauigkeit nicht sagen.
Die Gebirge oder Erhebungen der ersten Periode waren nicht allzu-
hoch, die Meere nicht allzutief. Was das Wasser nicht bedeckte, überzog
sich allmählich mit einer Vegetation, welche der damals noch geringen Dicke
der wohl erwärmten Erdkruste angemessen war. Auch die Thierwelt mußte
den vorhandenen Verhältnissen entsprechen, und es ist wahrscheinlich, daß
außer Kryptogameu und Polypen wenig organisches Wachsthum vorhau-
den war. So mag die Erde viele, viele Jahre lang in Ruhe geblieben
sein und die Erdrinde durch die fortdauernde Wärmestrahlung an Dicke
zugenommen haben; die neuen Eruptionen, welche später ohne Zweifel ein-
traten, müssen eben deshalb an Heftigkeit die frühern übertroffen und Ver-
anlassnng gegeben haben, daß die Erhebungen ausgedehnter und ( höher
waren. Auch die Gewässer arbeiteten fort und zerstörten festes Gestein,
welches sie in Schichten wieder absetzten; sie bedeckten und verschütteten
auch die Pflanzen- und Thierwelt, begruben sie in dem mitgeführten Schlamm
und versteinerten sie. So müssen viele Umwälzungen nach einander statt-