Full text: Für die Klassen 7 und 6 (Teil 1)

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wesentlich auch durch ihre Verhältnisse. Bei der 
dorischen Säule ist der untere Durchmesser 4 bis 
5l/2mal in der ganzen Säule mit Einschluß des 
Kapitells erhalten (1 : 4 bis 5V2), erst in Bauten der 
Spätzeit wird dieses Maß überschritten (1 : ö1^)- 
Dagegen ist die ionische Säule 8 bis xo mal so 
hoch als der untere Säulendurchmesser. Es hat 
also bei gleichem unteren Säulendurchmesser die 
ionische Säule ungefähr die doppelte Höhe einer 
dorischen. 
In ältester Zeit wurden die Säulen und das 
Gebälk aus Holz, die Wände, wenigstens in ihren 
oberen Teilen, aus Lehm gebildet (so ursprünglich 
am Heräon in Olympia, Fig. 54). Allmählich 
verdrängte der Stein das andere Material, zu¬ 
meist Kalkstein, der mit Stuck überzogen war, 
dann Marmor. Die Wirkung des Baues wurde 
durch Bemalung erhöht; durch kräftige Farben¬ 
gebung hoben sich einzelne Glieder scharf vonein¬ 
ander ab. 
Es versteht sich von selbst, daß auch der 
Tempelbau eine Entwicklung zeigt: hier sei bloß 
einiges erwähnt. Betrachten wir die drei dorischen 
Tempel in Olympia (Fig. 42 u. 43), so sehen wir, 
daß bei dem ältesten, dem im 7. Jahrhundert er¬ 
bauten Heräon, die Schmalseite fast dreimal in der 
Langseite enthalten ist, und daß 6 Säulen an der 
Schmalseite auf 16 an der Langseite kommen (6 : 16), 
während bei dem Metroon des 4. Jahrhunderts die 
Langseite nicht einmal das Doppelte der anderen 
Seite mißt (Säulenzahl 6 : 11). Der Tempel des Zeus 
(5. Jahrh.) steht in dieser Beziehung, wie auch zeit¬ 
lich, in der Mitte (6 : 13). Je älter dorische Bauten 
sind, desto wuchtiger und schwerfälliger pflegen sie 
zu sein, die Säulen sind dann kurz und gedrungen 
(Fig. 26 u. 28), an den jüngeren Tempeln werden 
sie schlanker. Bei einer dreischiffigen Cella er¬ 
scheinen in älterer Zeit die Seitenschiffe als schmale 
Gänge (Fig. 21, 44, 49), später werden sie breiter 
(Fig. 61). Zunächst sind dorische und ionische 
Bauart streng geschieden, später werden sie häufig 
in der Weise gemischt, daß zu einem dorischen 
Äußern ionische (oder korinthische) Formen im 
Innern hinzutreten. Hatte man früher beim dori¬ 
schen Bau Säulen im Innern zu verwenden, so 
setzte man wohl zwei Reihen übereinander (Fig. 21, 
49, 60), jetzt kann für zwei aufeinanderstehende 
dorische Säulen die schlankere und höhere ionische 
Säule eintreten (Fig. 70). In der römischen Archi¬ 
tektur sehen wir häufig die zwei oder drei ver¬ 
schiedenen Säulenarten am Äußeren eines Baues 
verwendet (Fig. 190, 197). 
§ 4. Olympia und Delphi. 
Die beiden berühmten Orte sind jetzt freigelegt, 
Olympia durch die Deutschen (1875—1881), Delphi 
durch die Franzosen (1892—1901). 
Der heilige Hain von Olympia lag etwas nördlich 
vom Alpheios, am Ufer seines Nebenflusses Kladeos 
(Fig. 42 u. 43). Im Norden wurde der Hain vom 
Kronoshügel begrenzt, auf den drei anderen Seiten 
von Mauern oder Hallen. Zwei kleinere Plätze, das 
Pelopion und das Hippodameion, erinnerten an den 
Stifter der Spiele und seine im Wettfahren errungene 
Gemahlin. Am Fuß des Kronoshügels lagen in langer 
Reihe die Schatzhäuser, im Innern die drei dori¬ 
schen Tempel, von denen der des Zeus durch seine 
Größe leicht als der Hauptbau kenntlich ist. In 
ionischem Stil ließ Philipp von Makedonien oder 
sein Sohn Alexander das Philippeion (Fig. 22) er¬ 
richten. Endlich kam im zweiten Jahrhundert n. Chr. 
als glänzender Abschluß der neuen Wasserleitung 
des Herodes Attikos die Exedra hinzu. 
Außerhalb des Haines lagen die Gebäude, die 
profanem Zwecke dienten: im Westen die Übungs¬ 
plätze der Wettkämpfer, die Palästra und das Gym- 
nasion, im Osten die Anlagen, in denen die Wett¬ 
kämpfe stattfanden, das wohlerhaltene Stadion und 
der nicht mehr vorhandene Hippodrom. 
Die meisten Gebäude sind rechteckig, andere 
quadratisch mit einem inneren Hof (Leonidäon, 
Theokoleon, Palästra und Gymnasion). Fast überall 
findet sich die Halle, bald als kleine Vorhalle, bald 
als äußere oder innere Ringhalle, bald als selb¬ 
ständiger Bau. Den römischen Werken, dem 
Triumphtor und der Exedra, fehlt sie. 
Von Olympia ist Delphi in der Lage so ver¬ 
schieden wie nur möglich: Olympia in der Ebene 
eines breiten Flusses, Delphi in wilder Gebirgsland¬ 
schaft (Fig. 53 u. 55). Aber hier wie dort ein von 
Mauern (oder Gebäuden) eingehegter Bezirk, ein 
alles überragender Tempel, viele Schatzhäuser und 
ungezählte Weihgeschenke (Fig. 51 u. 52). Die 
großen Hallen sind in Delphi weniger zahlreich, 
weil die Stadt sich an den Hain anschloß und den 
Besuchern den in Olympia fehlenden gastlichen Auf¬ 
enthalt bot. Die Schatzhäuser liegen nicht wie in 
Olympia auf einer gemeinschaftlichen Terrasse, 
sondern das Terrain zwang zu größerer Unregel¬ 
mäßigkeit. Eigentümlich sind Delphi die großen 
statuenreichen Denkmäler am Eingang (Ägospotami 
und Marathon), das Theater und die Lesche der 
Knidier, ein Gebäude, dessen Hallen um einen 
inneren Hof lagen.
	        
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