Full text: Lesebuch für die obere Klasse der Katholischen Elementarschulen in dem Herzogthume Schlesien und der Grafschaft Glaz

—X 
Weil Kluge sehr vollbi—ig, und der Wundarzt ein⸗ 
mahl da war; so ließ er sich eine Ader oͤffnen. Gleich lief 
Katharine nach dem Kalender, um nachzusehen, ob dieser 
heute dazu rathen wuͤrde. Kluge dankte seiner Schwieger⸗ 
mutter fuͤr ihre zaͤrtliche Besorgniß, setzte aber laͤchelnd 
hinzu: daß die Verfertiger des Kalenbers wohl schwerlich 
gewußt haͤtten, ob heute fuͤr den Freihaͤusler Kluge zu Eu⸗ 
lenburg gut Aderlassen seyn moͤchte. 
Ohnexachtet nun Katharine mit Bedauern sah, daß 
ihr Schwiegersohn sein Zutrauen zu dem Kalender verloren 
hatte; so nahm sie ihn doch bald wieder zur Hand, um zu 
wissen, in welchem Zeichen das juͤngste Kind ihrer Tochter 
geboren waͤre. Ei, Mutter! rief hier ihr Schwiegersohn 
aus, was haben denn die vielen tausend Meilen von uns 
entfernten Gestirne mit den Menschen und ihren Schicksalen 
zu thun? 
Kluge wollte Kopfkohl pflanzen z, auch daruͤber sollte 
ihr treuer Kalender entscheiden. Ihr Schwiegerfohn bat 
sie aber sich diese Muͤhe zu ersparen, weil der mit Regen 
umzogene Himmel schon ein sicherer Rathgeber fuͤr ihn waͤre. 
Einst hatte Katharine des Abends viel gegessen, und 
sich darauf bald zu Bette gelegt. Ihrer Tochter war an 
diesem Abende nicht wohl, und Katharine, die immer das 
Schlimmste besorgte, stellte sich vor, wie unersetzlich der 
Verlust fuͤr sie seyn wuͤrde, wenn ihr diese gutt Tochter ster⸗ 
ben sollte. Mit diesen traurigen Gedanken schlief sie ein. 
Da unsre Seele sich auch im Schlafe mit dem beschaͤf⸗ 
tiget, was wir wachend dachten, und Katharine wegen der 
starken Mahlzeit, die sse des Abends genossen hatte, aͤngst⸗ 
lich traͤumen mußte; so ging es sehr natuͤrlich zu, daß sie 
im Traume ihre Tochter als Leiche und ihren Schwieger⸗ 
sohn mit seinen Kindern in Trauer sah. Jede andere Per⸗ 
son, die weniger aberglaͤubig als Katharine gewesen waͤre, 
wuͤrde daruͤber keine Unruhe empfunden haben; allein kaum 
hatte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.