Full text: [Länderkunde Mitteleuropas, insbesondere des Deutschen Reiches, Anleitung zum Verständnis des Globus und der Karte, sowie des Reliefs] (H. 1 = Lehrstoff d. Quinta)

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4 VII. Das Zeitalter der franz. Revolution, Napoleons I. u. der Freiheitskriege. 
sondern die Quoten jährlich bestimmt wurden. Für die Ausübung der 
unmittelbaren Gerichtsbarkeit des Königs (Kabinettsjustiz) gab es keine 
Schranke (lettres de cachet). Den Städten war das Recht, den 
Magistrat zu wählen, im 17. und 18. Jahrhundert überall genommen, 
um es ihnen wieder zu verkaufen, wieder zu nehmen und abermals zu der- 
kaufen, ein Vorgang, der sich binnen 80 Jahren siebenmal wiederholte- 
Infolgedessen war entweder der Sinn für kommunale Selbstverwaltung er¬ 
storben, oder die Bürger hatten das Recht dazu mit schweren Steuern zu 
bezahlen. Vom Grund und Boden gehörte dem Adel und der Geistlichkeit 
zwei Drittel, den Bauern und den Städten ein Drittel. Der Klerus 
war von allen Steuern frei und gab nur jährlich 3—4 Mill. Fr. als 
Geschenk; der Adel war von der Grundsteuer frei und trug von den übrigen 
Steuern etwa den 5. bis 10. Teil. So waren die steuerfähigsten Stände 
gar nicht oder sehr wenig belastet, die Bürger sehr bedeutend und die 
Bauern derartig, daß infolge der Überlastung ihre Steuerfähigkeit immer 
weiter zurückging. 
Elende Lage Der Bauernstand, der von 23 Millionen Einwohnern etwa 21 Millionen 
^stmides™ umfaßte, genoß vom Reinertrage des Bodens durchgehends so wenig, 
daß er nur sein Leben fristen konnte. Nur in den nördlichen und nord- 
östlichen Provinzen war die Lage etwas besser. Im übrigen Frankreich 
rechnete man im Durchschnitt auf die Taille (Einkommensteuer), auf die 
Taille-Nebensteuern und auf die Zwanzigstel ein Viertel des Rein- 
ertrages, auf die Kopfsteuer und den Zehnten ein Viertel, auf die Herr- 
schaftsabgaben ein Siebentel. Dazu kamen noch die Fronsteuern, die 
Pfändungs- und Emtreibungskosten sowie die lokalen Lasten aller Art.*) 
Außerdem hatte jeder jährlich für jede Person seines Haushalts 7 Pfd. Salz 
zu einem Preise zu kaufen, daß derselbe dem Verdienst von fast 5 Arbeits- 
tagen für den Kopf gleichkam. So blieb vom Reinertrage sehr wenig übrig. 
Rückgang dn Die Landwirtschaft, die sich so wenig lohnte, ging stetig zurück. Die 
anbt0 aft Größe des unbebauten Ackers nahm jährlich zu, und der Betrieb selbst 
machte keine Fortschritte. Die hohen Schutzzölle verteuerten die Maschinen 
und alles Gerät. Der Verkauf des Getreides war durch den Marktzwang, 
der den Bauer zu weiten Fuhren in die mit dem Marktrecht privilegierte 
Stadt nötigte, sowie durch die Binnenzölle, welche die Provinzen gegen- 
einander absperrten, aufs äußerste erschwert. Wer infolge von Krankheit 
oder Mißwachs — die Jahre 1784 und 1788 brachten Mißernten und 
Hungersnot — die Steuern nicht bezahlen konnte, wurde ins Gefängnis 
geworfen, und die Seinigen mußten ihn nicht nur verpflegen, sondern auch 
die Steuern aufbringen, um ihn zu befreien. Die Masse der Bauern führte 
in elenden Hütten ein elendes Leben, mit wachsendem Grimm gegen ihre 
Peiniger, die Feudalherren und den Staat, erfüllt. 
Die Städte. Colberts Merkantilismus hatte mit seinen Schutzzöllen und Prämien 
zwar die Industrie stark entwickelt, aber da die Masse des Volks wenig 
kaufkräftig war, so hatte sie auf dem inneren Markte nicht genügenden 
Entstehung des modernen Frankreich. Übersetzt 
von L. Katscher. Leipzig, Abel 1877. 3 Teile. I, 361.
	        
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