236 n. Abschnitt. Die Landschaften und Staaten Mitteldeutschlands.
Wie kommt es, daß die schlesische Mulde sich in verschiedene
Abschnitte gliedert? Die schlesische Ebene wird von dem schleichen
Landrücken durchzogen. Derselbe besteht aus drei gleichlaufenden Zügen.
Der südliche Zug des schleichen Landrückens wird von der Oder in der
Gegend südlich von Oppeln durchbrochen; erschließt dos oberschlesische Becken
ab. Der zweite Hügelzug des Landrückens zieht in weiter Entfernung nord-
westwärts, wendet sich dann südlich der Malapane westwärts und wird in
der Gegend von Glogau ebenfalls von der Oder durchbrochen. Er erfüllt
den nordwestlichen Teil der schleichen Ebene. In der Gegend von Grün-
berg tritt der dritte Zug des Landrückens an die Oder heran. Diese drei
Höhenzüge schließen die drei Oberbecken ab.
Welchen Einfluß haben diese drei Züge des Landrückens
auf die Laufrichtung der Oder ausgeübt? Die Oder ist gezwungen,
die einzelnen Züge des Landrückens, die sich von Südost nach Nordwest hin-
ziehen, zu durchbrechen. Dadurch muß sie ihren Lauf mehrfach ändern, und
sie bildet infolgedessen mehrere treppenförmige Biegungen. Die erste und
kleinste Treppe bildet sie unterhalb Kofel; die bedeutendsten sind unterhalb
Breslau. Hier fließt die Oder mehrmals abwechselnd nach Westen und dann
nach Norden.
Wie kommt es nur. daß sich in der schlesifchen Kornkammer
längs der Oder ein sumpfiges Waldgebiet ausbreitet? Hier sind
die Ufer ganz flach: der Strom hat ein geringes Gefälle und schleicht träge
dahin. Er teilt sich oft. Dadurch werden die Uferränder feucht. Dazu
kommt, daß der Fluß bei Hochwasser die Ufer überflutet. (Vergl. die Ufer-
landfchaften des Rheins im oberen Teile der Rheinebene!)
Welche Nachteile bietet die sumpfige Beschaffenheit der Ufer
für den Verkehr? Der Übergang über den Strom und damit der Ver-
kehr zwischen den beiden Oderseiten war dadurch sehr erschwert und nur an
einzelnen Stellen möglich.
Und trotzdem finden sich am Oderstrom größere Ortschaften?
Die Städte sind da entstanden, wo der Übergang über den Strom infolge
höherer Ufer oder infolge der Teilung des Stromes (Breslau) leichter
möglich war.
Warum sind einzelne Oderstädte so groß geworden? Die Oder
ist eine Hauptverkehrsstraße des Landes; denn es hat sich auf ihr eine leb-
hafte Schiffahrt entwickelt. Bis Breslau hinauf ist der Strom für größere
Fahrzeuge schiffbar. Er kann bis dahin mit den langen und schmalen Ober-
kahnen, die mit mehreren Masten ausgerüstet sind, befahren werden. Kleinere
Fahrzeuge können bei hohem Wasserstande sogar bis Ratibor hinauf gelangen.
Auch große Holzflöße werdeu von Oberschlesien auf der Oder herabgeführt.
Warum hat fich Breslau unter allen Oderstädten zur größten
Handelsstadt des Landes entwickelt? Es liegt im Mittelpunkte der
Landscbaft; die Großschiffahrt reicht bis über die Stadt hinaus; hier kreuzteu
sich viele Handelsstraßen; gegenwärtig bildet es einen wichtigen Eisenbahn-
knotenpuukt; die Umgegend ist sehr fruchtbar und gewerbthätig. Daher sind
bedeutende Märkte (Vieh-, Getreide- und Wollmärkte) entstanden; es hat sich
eine vielseitige Großindustrie entwickelt.