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Schutz und Hülfe bei Ludwig. Um aber die Zuneigung und den Beistand
des frommen Herrschers um so eher zu gewinnen, trat er zum christlichen
Glauben über und empfing in der Kirche zu Ingelheim die heilige Taufe.
Die feierliche Handlung wurde mit großer Pracht vollzogen. Der Kaiser
selbst führte den Fürsten Harald und die Kaiserin Judith, Harald's Ge¬
mahlin, zum Taufstein, und gegenseitig gegebene Geschenke sollten die ge¬
meinsame Freude über das heilige Fest ausdrücken. Als aber Harald nach
einiger Zeit in seine Heimath zurückkehren konnte, ergriff Ludwig freudig
die Gelegenheit, etwas für die Bekehrung der heidnischen Dänen thun zu
können. Er forderte den Dänenfürsten auf, einen christlichen Missionär
unter sein Gefolge aufzunehmen. Harald willigte ein. Also wandte sich
Ludwig an Wala, den Abt des Klosters Corvey, und ersuchte diesen, ihm
einen zur Heidenbekehrung geeigneten Mann zu bezeichnen. Wala wußte
keinen Trefflicheren zu nennen, als den Mann, der mit so hoher Begei¬
sterung die Jugend und das Alter zu lehren verstand. So ward Ansgar
zum Missionär für Dänemark bestimmt.
Ansgar vernahm die Kunde von seiner Erwählung zum dänischen
Missionär mit inniger Freude. Aber zugleich schwebte auch seiner Seele
die ganze Schwere und Heiligkeit des großen Werkes vor, zu dem er be-
schieden war. Nicht die Gefahr oder der Tod war es, was er fürchtete.
Vielmehr verglich sein demüthiger Sinn die Größe der Aufgabe mit der
Schwachheit seiner Kraft und bebte schüchtern zurück vor dem bedeutungs¬
vollen Amte eines Heidenboten. Nur durch den Beistand des allmäch¬
tigen Gottes, das fühlte er in tiefster Seele, konnte er das heilige Werk
vollführen. Diesen Beistand erflehte er nun auch durch tägliches Gebet.
Er wurde still und in sich gekehrt und mied allen Umgang der Menschen;
ein einsamer Weinberg in der Nähe des Klosters war sein liebster Aufent¬
halt. Hier bereitete er sich in ungestörter Stille vor zu seinem heiligen
Amte und forschte mit noch größerem Eifer denn zuvor in der Schrift,
deren beseligendes Wort er bestimmt war, den Heiden auszulegen.
Da trat einst ein anderer Mönch zu ihm, Autbert geheißen, ein Mann
von edler Geburt und den trefflichsten Brüdern des Klosters zugezählt.
Unwillig blickte Ansgar auf. Er meinte, der Bruder wolle ihn durch ab¬
schreckende Schilderungen von dem Trotz und der Wildheit der Heiden¬
völker in seinem frommen Vorsatze wankend zu machen suchen, wie man
schon oft gethan.
„Beharrest du noch in deinem Beschluß, zu den Heiden des rauhen
Norden zu gehen?" fragte Autbert.
„Was gehet das dich an!" entgegnete Ansgar in einem so gereizten
Tone, wie man an dem liebevollen Manne sonst nicht gewohnt war.
„Zürne mir nicht!" sprach Autbert ruhig. „Ich will dich ja nicht
darüber tadeln, sondern möchte nur Gewißheit haben über deinen Vorsatz!"
„Nun denn," entgegnete Ansgar, „man hat mich gefragt, ob ich int
Namen Gottes den Heiden das Evangelium verkündigen wollte, und ich
wagte nicht, dem Rufe Gottes auszuweichen. Ja, ich sehne mich, dahin