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Erster Teil. Die deutschen Landschaften.
vorigen Jahrhunderts lange nicht mehr den Anforderungen genügte,
die ein lebhaft aufstrebender Handel und der zeitgemäße Seever¬
kehr an sie zu stellen berechtigt waren, so war doch an ein solches
Riesenunternehmen, wie wir es heute im Kaiser-Wilhelm-Kanal vor
uns haben, nicht eher zu denken, bis unser Vaterland mit geeinten
Kräften ans Werk gehen konnte. Dann aber wurde es auch mit der
den Deutschen eigenen Zielbewußtheit und Gründlichkeit angefaßt
und zu Ende geführt.
Der Kanalbau dauerte 8 Jahre und verursachte einen Kosten¬
aufwand von 156 Millionen M. 6 — 8000 Arbeiter haben in dieser
Zeit jahraus, jahrein an diesem Riesenwerk gearbeitet, wobei ihnen
die vollendetsten technischen Hilfsmittel, wie Trocken- und Schwimm¬
bagger, Lokomotiven und Schleppdampfer, Beton-Mischtrommeln und
zahlreiche andere Maschinen zu Hilfe kamen. Denken wir uns nun
in die Arbeit zurück! Auf fünffachem Schienenstrange bewegen sich
die Trockenbagger langsam vorwärts, die beiden mächtigen Arme, an
denen, von riesenstarken Gelenkketten gehalten, sich ein sogenanntes
Paternosterwerk befindet, geschäftig ausgestreckt. Gleichmäßig schlagen
25 große, gewölbte Stahlschaufeln mit ihrem scharfen Rande in das
Erdreich, schürfen es los und führen es mit sich in die Höhe. Oben
angekommen, klappt jede selbsttätig in ihrem Gelenk um und ent¬
leert seinen Inhalt in einen bereitstehenden Wagenzug. Gleichmäßig
wie ein Uhrwerk rückt der Bagger vorwärts, schürft, faßt, hebt und
entleert, so daß in jeder Stunde etwa 100 cbm Erde gehoben und
fortgeschafft werden, eine Arbeitsleistung, die der von 30 Menschen
gleichkommt. 4—5 m tief kratzt er bei jedem einzelnen Gange das
Erdreich fort. Am Ende angekommen, kehrt er zurück und beginnt
die Arbeit ein Stockwerk niedriger, bis die nötige Tiefe erreicht ist.
Nun übernehmen die Schwimm- und Preßbagger den Rest der
Arbeit.
So wurden 80 Millionen cbm Erde ausgehoben, woraus sich ein
Berg hätte aufschütten lassen, der wohl 3—4 mal die Höhe unserer
Kirchtürme und ungefähr eine Stunde im Umfang gehabt haben würde.
Die schwierigsten Arbeiten aber waren da zu überwältigen, wo der
lockere oder moorige Boden die Maschinen nicht zu tragen im stände
war. Hier mußten vor allem die Moorufer befestigt werden, um
sie zu hindern, in den Kanal einzudringen. Dämme von Ton- oder
Lehmboden wurden parallel mit dem Kanalbette eingesenkt, und von
ihnen aus begann die Baggerarbeit.
Der Kunststrom verläßt n. von Kiel, bei Holtenau, den Kieler
Hafen, benutzt teilweise im ersten Drittel seiner Länge den alten
Eider-Kanal und erreicht bei Brunsbüttel, nachdem er 98,6 km Land
durchquert hat, die Elbe, die hier selbst noch 10 m tief ist. Bei
der geringen Breite der Kanalsohle (22 m) können wohl 2 Handels¬
schiffe, nicht aber 2 Panzer aneinander vorbeifahren, da diese zu
breit und tiefgängig sind. Darum hat man wie im Suezkanal, der,