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Otto Gildcmeister.
Selbst diejenigen, welche persönlich durch die Unterscheidung gedemütigt
werden, machen doch die Unterscheidung mit. Der Handwerker ist stolz
darauf, seinen Sohn studieren zu lassen, wenn auch Hobelbank und
Amboß mehr Geld einbringen als die Doktorwürde. Der Bauer trachtet
danach, aus einem seiner Kinder einen Herrn Kandidaten zu machen,
wenn schon die kirchliche Laufbahn nicht gerade zu den glänzenden ge¬
rechnet werden kann. Der Bankier weidet sich an der Glorie seines
Erstgeborenen, welcher bei dem berühmten und bekanntlich äußerst
exklusiven Kürassierregimente einen nicht unerheblichen Teil der väter¬
lichen Einkünfte als Kavalier verzehrt.
In den Vereinigten Staaten von Amerika, sagt man, fehle ein
solches Gefühl für die Rangordnung der Arbeit gänzlich. Jede Be¬
schäftigung, vermittels deren man Geld verdiene, gelte für gleich an¬
ständig. Und gewöhnlich wird dies als ein Vorzug der Vereinigten
Staaten gepriesen. Wenn die Sache sich wirklich so verhält, was noch
bezweifelt werden mag, so muß man sagen, daß es löblich ist, jede
nützliche Thätigkeit, auch die niedrigste, höher zu ehren als das Nichts¬
thun des dünkelhaften Gecken. Ob es aber eben so löblich ist, das
Geldverdienen zum ausschließlichen Wertmesser der Beschäftigungen zu
machen, ist eine andere Frage. Dazu sind die Menschen ohnehin sehr
geneigt, auch ohne daß man es ihnen als besondere Weisheit predigt.
Allein ich für meinen Teil entscheide mich doch lieber für die europäische
Ansicht, die wohl mit allerlei Schiefem und Verkehrtem versetzt ist,
aber doch schließlich auf den alten Satz zurückführt, daß der Mensch
nicht vom Brot allein lebt. Heilsam und ehrwürdig erscheint mir das
dunkle Gefühl, welches unsere Bauern und Handwerker antreibt, sich
das Geld am Munde abzudarben, damit ihre Kinder von dumpfer
Handarbeit zur Gehirnarbeit aufrücken können. Man braucht nicht zu
fürchten, daß die Leute zu wenig Respekt vor dem Gelde bekommen
möchten.
Das Bewußtsein von der Vulgarität des Geldes tritt auch dann
in uns hervor, wenn wir in der Lage sind, jemandem ein Geschenk zu
machen. Welche Mühe geben wir uns nicht, den Geschenken einen
Wert zu verleihen, der vom Gelde unabhängig sei. Das einfachste
wäre ja, das Geld selbst zu schenken, aber alle Welt sindet das unan¬
ständig und selbst beleidigend. Kindern und Dienstboten allein giebt
man die blanke Münze ohne Bedenken. Selbst den Geldwert der Gabe
sucht man zu verstecken. Die kleinen verräterischen Zettel, ans denen
der Verkäufer den Preis vermerkt hat, werden sorgfältig abgetrennt,
und sehr verlegen wird, wer zu spät beim Gratulationsbesuche plötzlich
gewahrt, daß er diese Operation vergessen hat. Er schämt sich wie
über eine Ungeschicklichkeit.