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erreicht wird. Da Deutschland ein Durchgangsland für die meiste
Länder Europas ist, so besitzt sein Eisenbahnnetz große Wichtigkeit. Fünf
Linien des Weltverkehrs durchziehen unser Vaterland, zwei westöstliche
und drei nordsüdliche. Diese sind:
1. Orientexpreß: Paris—Straßburg—München—Wien—Konstanti-
nopel.
2. Nordexpreß: Ostende—Cöln—Berlin—Petersburg.
3. Nordsüdexpreß: Berlin—München—Brenner Paß—Rom.
4. Hamburg—Frankfurt—Basel—St. Gotthard—Genua.
5. Berlin—Dresden—Prag—Wien—Trieft.
Der wichtigste Eisenbahnknotenpunkt ist Berlin; von hier laufen
11 Eisenbahnlinien strahlenförmig nach allen Richtungen aus. Das
zweitgrößte Eisenbahnnetz ist das rheinische; Mittelpunkte desselben sind
Cöln, Düsseldorf, Frankfurt a. M. und Straßburg. Die süddeutschen
Eisenbahnen gruppieren sich hauptsächlich um Stuttgart und München.
Hauptsitz des Binnenhandels ist Berlin. Der Handel des südwest-
lichen Deutschland wird durch Straßburg, Mannheim und Frankfurt
beherrscht, derjenige des nordwestlichen durch Cöln und Düsseldorf. In
Süddentschland ragen München und Nürnberg, in Mitteldeutschland Leipzig
und Magdeburg, in Ostdeutschland Berlin, Stettin und Breslau hervor.
3. Außenhandel. Deutschland muß einen großen Teil der Roh-
stoffe für seine Industrie, z. B. Baumwolle, Wolle und Holz, vom
Auslande beziehen; anderseits muß es darauf bedacht sein, die fertigen
Jndnstrieerzengnisse, die es selbst nicht verbraucht, im Auslande abzlv
setzen. Deshalb treibt es einen lebhaften Außenhandel, der sich mit der
Ein- und Ausfuhr der Waren beschäftigt. Unter den eingeführten
Gütern stehen Getreide und Vieh obenan, da die deutsche Landwirtschaft
den Bedarf daran nicht völlig decken kann. Das fehlende Getreide be-
ziehen wir aus Österreich-Ungarn, Rußland, Rumänien und Amerika,
Vieh aus der Schweiz, Holland, Dänemark und Österreich. Bau- und
Nutzholz liefern uns Rußland, Skandinavien und Österreich. Amerika
und Asien versorgen uns mit Kolonialwaren, die Mittelmeerländer mit
Südfrüchten und Wein, Amerika und Australien mit Wolle, Nordamerika
und Ostindien mit Baumwolle. Der Gesamtwert der Einfuhr belief
sich 1905 auf 7046 M.ll. Mark.
Die Ausfuhr Deutschlands besteht hauptsächlich in Jndustrieer-
zeugnissen. Der größte Anteil entfällt auf Eisen und Eisenwaren
Maschinen); bedeutend ist ferner die Ausfuhr von Zucker, Baumwollen-,
Wollen- und Seidenwaren, Papier, Holz-, Spiel- und Lederwaren. Der
Wert der ausgeführten Waren betrug 1905 5693 Mill. Ma?k.
4. Zölle und Handelsverträge. Manche fremde Länder können ihre
Erzeugnisse, z. B. Getreide, wegen hoher Bodenfruchtbarkeit und niedriger
Arbeitslöhne billiger verkaufen als Deutschland. Wenn der Handel nun
große Meugeu Getreide von auswärts auf deu deutschen Markt bringt,
so werden dadurch die Getreidepreise bei uns auf eiue so niedrige Stufe
herabgedrückt, daß der einheimische Landwirt nicht mehr bestehen kann.
Um ihn vor dem Ruin zu bewahren, hat man Zölle eingeführt. Es
Dilcher-Schwarzhaupt-Walther. Erdkunde. Ausg. A. 5