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Reise um die Erde.
4. Auf der Bahnfahrt (Abfahrt 5 Uhr nachmittags) nach N.W. haben
wir zur Rechten das blaue Adriatische Meer, aber von den vielgerühmten
Herrlichkeiten Italiens sehen wir hier nicht viel, denn die liegen zumeist an
der anderen Seite des Apennins, des langen Kettengebirges, das durch die
ganze Halbinsel läuft. Bald kahle, bald bewaldete Berge, viel Weinbau, sehr
viel Staub. An den Haltestellen zeigen sich die bunten Gewänder der italie-
nischen Landbevölkerung, deren sonnenverbrannte Gesichter von harter Arbeit
oder von Entbehrungen zeugen. Denn trotz der Fruchtbarkeit dieses schönen
Landes lebt die Masse der Bevölkerung sehr dürftig.
Als wir am Montage, dem 13. September, früh erwachen, sind wir im
gesegneten, fruchtbaren Tieflande des Po, das auch zu Italien gehört. Es
erzeugt Wein, Öl von den Oliven, der Frucht der Ölbäume, Mais, Weizeu
uud Seide und ernährt eine Menge blühender Städte. Um 10 Uhr die
große Stadt Bologna [bolönjct], nachmittags 3y2 Uhr Verona.
5. Schon zwei Stunden vorher sind im N. die Schneegipfel der Alpen
sichtbar geworden, und von Verona an geht es im herrlichen Etfch-Thale
aufwärts in dieses größte und schönste Hochgebirge Europas hinein. In
mäßiger Steigung gelangen wir während der Nacht auf die Paßhöhe des
Brenners (1350 m), die ohne einen Tunnel überschritten wird, ein Beispiel
dafür, daß die Alpen leichter gangbar sind als irgend ein anderes Hochgebirge.
Die Pässe sind tief in den Kamm eingeschnitten, und zu den meisten führen
von zwei Seiten Flnßthäler hinauf. Von der Brennerhöhe fließt das Wasser
nordwärts ab zum Inn, südwärts zur Etsch in zwei Bächen, die ganz dicht
bei einander entspringen. Aber nicht nur Schönheiten und Annehmlichkeiten hat
das Hochgebirge, sondern auch Gefahren. Gar bedrohlich sind die Lawinen,
die Schneestürze, die an steilen Wänden namentlich im Frühjahre zu Thale
gehen mit donnerndem Getöse, die Luft verfinsternd, die Wälder zersplitternd,
Wohnstätten und Menschenleben vernichtend. „Verbauungen" gegen die Gefahr.
Felsstürze, Gießbäche. — Ein anderer Teil der Schneemaffen geht in den
Gletschern zu Thale. S. S. 27 und El 20 uud 21.
6. Im dämmernden, recht taufrischen Morgeu geht es aus dem breiten
Jnn-Thale über die Grenze des Deutschen Reiches, das wir im nächsten
Schuljahre im besonderen betrachten werden. Die Sonne geht schon viel
weiter nach S. hin auf, als da wir zu unserer Rundreise aufbrachen, das Laub
fällt bereits. Um 6 Uhr 40 Min. aus München, zwölf Stunden später
folgt Leipzig, abends kurz vor 9 Uhr Berlin am Dienstage, dem 14. Sep-
tember. Von dort braucht der Schnellzug bis Hamburg nur uoch 31/2 Stunden,
und auch unser Wohnort wird sich am folgenden Tage sicher'erreichen lassen.
In 75 Tagen ist unsere Fahrt um die Erde beendet. Vermeidet man
jeglichen Abstecher uud benutzt man sorgfältig alle Anschlüsse, so läßt sich eine
solche Reise aus einem nur weuig von dem unseren abweichenden Wege (durch
Britisch-Nord-Amerika) in 62 Tagen zurücklegen. Das Fahrgeld beträgt mit
Beköstigung auf den Dampfern rund 2500 Mark.