4. Da wacht die Erde grünend auf,
weiß nicht, wie ihr geschehen,
und lacht in den sonnigen Himmel hinauf
und möchte vor Lust vergehen.
5. Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar
und schmückt sich mit Rosen und Ähren
und läßt die Brünnlein rieseln klar,
als wären es Freudenzähren.
6. Drum still! Und wie es frieren mag,
o Herz, gib dich zufrieden!
Es ist ein großer Maientag
der ganzen Welt beschieden.
7. Und wenn dir oft auch bangt und graut,
als sei die Hüll' auf Erden,
nur unverzagt auf Gott vertraut!
Es muß doch Frühling werden.
97. Der Mancterer in cler Sägemiible. von ^uitimis Kerner.
Lyrische Gedichte. 4. Auflage. Stuttgart u. Tübingen. 1847. S. 476.
1. Dort unten in der Mühle
saß ich in süßer Ruh'
und sah dem Räderspiele
und sah den Wassern zu.
2. Sah zu der blanken Säge,
— es war mir wie ein Traum — !
die bahnte lange Wege
in einen Tannenbaum.
3. Die Tanne war wie lebend;
in Trauermelodie,
durch alle Fasern bebend,
sang diese Worte sie:
4. „Du kehrst zur rechten Stunde,
o Wanderer, hier ein!
Du bist's, für den die Wunde
mir dringt ins Herz hinein!
5. Du bist's, für den wird werden,
wenn kurz gewandert du,
dies Holz im Schoß der Erden
ein Schrein zur langen Ruh'!"
6. Vier Bretter sah ich fallen;
mir ward's ums Herze schwer.
Ein Wörtlein wollt' ich lallen,
da ging das Rad nicht mehr.
98. Die Kapelle. Von £udwig Ubland.
Gedichte. Kritische Ausgabe von Erich Schmidt u. Julius Hart mann.
1. Band. Stuttgart 1898. 8. 11.
1. Droben stehet die Kapelle,
schauet still ins Tal hinab;
drunten singt' bei Wies' und Quelle
froh und hell der Hirtenknab'.
2. Traurig tönt das Glöcklein nieder,
schauerlich der Leichenchor;
stille sind die frohen Lieder,
und der Knabe lauscht empor.
3. Droben bringt man sie zu Grabe,
die sich freuten in dem Tal.
Hirtenknabe, Hirtenknabe,
dir auch singt man dort einmal!