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Stofferweiterung oder Stoffvertiefung'?
läuternde und vorzeichnende erstreben vor allem die Klärung-
der Vorstellungen uud ergänzen also die vortragende aufs beste.
Bei allen dreien ist aber der Schüler nur aufnehmend tätig.
Die fragend-entwickelnde Lehrform zwingt ihn dagegen
zur regen Teilnahme am Unterrichte. Jede Frage knüpft
ein enges geistiges Band zwischen Lehrer und Schülern. Das
Vorstellen und Denken wird auf einen ganz bestimmten Punkt
gerichtet. So entfaltet sich eine grössere Aufmerksamkeit und
eine grössere geistige Sammlung. Die Unterrichtsergebnisse er¬
scheinen als Gewinn und Belohnung für die entfaltete Geistes¬
tätigkeit und erhöhen wieder den Lehr- und Lerneifer. Der
grösste Erfolg der f'ragend-entwickelnden Lehrform
ist aber das Gewöhnen der Schüler an selbständiges.
Denken und Urteilen.
33 X. Vom erdkundlichen Zeichnen.
Zu Leitsatz IX.
Die Erdkunde hat es vorwiegend mit Raum Vorstel¬
lungen zw tun. Auf Raumvorstellunsen richtet sie ihr ganzes
Gedankengebäude auf. Das naturgemässeste Mittel, um Raumvor¬
stellungen zu vermitteln, ist nicht das Wort, sondern das Bild-
und Kartenzeichnen. Mit einem gut gewählten Zeichen lässt
sich mehr ausdrücken als mit einer atemlangen Rede. Dazu kommt,,
dass letztere missverstanden werden kann und vielleicht im Kopte
des Lernenden ganz andere Vorstellungen erzeugt, als der Lehrende
beabsichtigt; das Zeichen dagegen ist klar und kann, wenn es
richtig gewählt ist, nicht verkehrt gedeutet werden. Die Haupt¬
unterrichtssprache für die Erdkunde ist also die
Zeichensprache, nicht die Lautsprache; man könnte von einer
erdkundlichen Raumsprache reden. Die mündliche Rede
soll bloss die Zeichen-, die Raumsprache begleiten, unterstützen
und weiter ausschmücken. Sie gibt zu dem Bild- und Karten¬
zeichen die nötigen Erläuterungen und breitet sich nur zuweilen
zu anschaulichen und lebendigen Schilderungen aus.
Nachdem wir für die Erdkunde das Verhältnis zwischen
der Laut- und der Raumsprache klargestellt haben, sind
wir auch imstande, die Aufgabe, die dem Lehrer beim erdkund¬
lichen Unterrichte erwächst, näher zu bezeichnen. So wertvoll
auch seine Gabe, anschaulich zu schildern, sein mag, wichtiger ist
für den Erfolg des Unterrichts und für den Fortschritt des Wissens
der Schüler seine Beherrschung der erdkundlichen Zeiclien-
und Raum spräche, des erdkundlichen Zeich ne fis. Es ist
noch eine Nachwirkung der Zeit, in der der Verbalismus auf den
Schulen fast allein herrschte und für eine naturgemässe Unter¬
richtssprache noch wenig Verständnis vorhanden war, wenn diese