85. Die französische Armee auf grauenhafter Flucht.
137
schaffenen oder geknechteten Reiche waren genötigt, ihm
Hilfsheere zu stellen: der Rheinbund 100000, die Schweiʒ
12000, Italien 40000, Polen 60000 Mann, und Hsfier—
reich und Preußen mußten seine Flanken decken. So brach
er im Sommer 1812 mit einem Heere von 600000 Mann
und 1200 Kanonen in Rußland ein; tausende von toten
Pferden bedeckten die schlechten Wege, und eine große Zahl
kranker Soldaten füllte die Spitäͤler Doch nach ge
wonnener mörderischer Schlacht an der Moskwa zogen
die Franzosen in Moskau siegreich ein, den 15. Sep
tember 1812. Hier gedachten sie reiche Winterquartiere zu
beziehen; aber sie fanden die Straßen verödet, die Vorräte
größtenteils fortgeschleppt. Die ahnungsvolle Stille wurde
aber bald durch Flammen unterbrochen, die schon bei dem
Einzuge aus dem Hospital, dem Bazar (Kaufhause) und der
Bank emporprasselten. Die Franzosen dämpften sie teil—
weise; am nächsten Tage aber schlug das Feuer aus mehr
denn 50 Stellen und verwandelte die ungeheuere Stadt bald
in ein Flammenmeer, worin sich Feuerwogen und wirbelnde
Rauchsäulen prasselnd einherwälzten. Vom Kreml aus, der
alten Zarenburg, schaut Napoleon dem schaudererregenden
Schauspiele zu. Als die Flammen schon nach dem Palasfte
züngeln, verläßt er mit seinem Heere die brennende Slad
und kehrt erst nach 6 Tagen wieder zurück, nachdem unter
Mitwirkung starker Regengüsse das Feuer erloschen war und
die Russen No ihrer eigenen Stadt in Schutt und Asche
verwandelt hatten.
Nun erstrebte Napoleon einen Friedensvertrag. Ver—
gebliches Mühen! „Jetzt erst beginnt der Krieg,“ sagten
die Russen, und so blieb den Franzosen nichts übrig, als
am 15. Oktober noch den Rückzug aänzutreten. Die Russen
folgen ihnen auf der Ferse. Bald waren die Vorräte ver—
zehrt, die man in Moskau mitnahm. Auf einer Straße,
wo man schon beim Einmarsche alles verbraucht und ver
braunt hatte, fehlte es an Brot und Obdach, wie den Pferden
an Futter. Wer sich von der Straße entfernte, um Sebens
mittel herbeizuholen, wurde von den Kosacken, welche das
Heer umschwärmten, gefangen genommen oder von den auf—
gebotenen Bauern erschlagen. Die ganze Armee lebte nun
beinahe ausschließend von Pferdefleisch, und täglich starben
viele vor Hunger und Ermattung. Pack- und Pulverwägen
perbrannte man, und Kanonen blieben zurück,