Full text: Die Landschaften Europas (Bd. 2)

Die Donau bis zur Marchmündung und das Marchgebiet. 
der Schnee an den steilen Wänden nicht genug haften kann und überdies die 
Menge der Niederschläge eine geringe ist. In den Schluchten schmilzt 
aber der Schnee das ganze Jahr hindurch nicht, und die tiefen, 
meistens in einer Höhe von 1400—2000 m gelegenen Seen werden gewöhnlich 
erst im Juli eisfrei. Die höchste Bergspitze der Hohen Tatra ist die G ers¬ 
dorfer Spitze (2663 m). Den schönsten Blick auf die Formenschönheiten 
des Gebirgskammes bietet aber die Meeraugspitze (2509 m), der Rigi der 
Tatra genannt, dar; von ihrem Gipfel sieht man in die blinkenden Wasser¬ 
spiegel von 13 Seen, die tief zu den Füssen liegen, hinein. Im Gegensatz zu 
den Alpen hat die Hohe Tatra nur ein dürftiges Pflanzenkleid. 
Wie im N von dem Beskidenzuge, so ist die Hohe Tatra 
auch auf den übrigen Seiten von niedrigen Gebirgszügen 
umrahmt. In S zieht sich in gleicher Richtung zu ihr die 
Niedere Tatra hin, die sich ebenfalls vorwiegend aus krystal- 
linischem Gestein, aus Granit und Schiefer aufbaut. 
Weiter nach S sowie nach W und 0 setzen sich noch zahlreiche 
Berggruppen an, die teils parallel verlaufen, teils fächer¬ 
förmig ausstrahlen. Die meisten von ihnen bestehen aus vulka¬ 
nischem Trachyt, einige auch aus Kalk oder Grauwacke. 
Besonders die Eruptivgebirge sind reich an Erzen, weshalb das 
ganze Bergland mit dem Namen Ungarisches Erzgebirge be¬ 
zeichnet wird. 
Die letzten südlichen Ausläufer sind ziemlich weit in 
die sich anschliessende ungarische Tiefebene vorgeschoben. Frei 
aus der Niederung emporsteigend, bilden sie f o r m e n r e i c h e L a n d - 
schaffen. In der Nähe der Donau erhebt sich der statt¬ 
liche Trachytstock der Matra. Im 0 umrahmt der Eperjes- 
Tokajer Trachytriicken mit seinen zeit- und kegelförmgen 
Berggipfeln schmuck voll die T h e i s s n i e d e r u n g, und zwischen 
diesen beiden Erhebungen liegen höh leu reich e Kalk- und 
üppig bewaldete Grauwackegebirge. 
Alle genannten Gebirgszüge, die im allgemeinen eine von W 
nach 0 gehende parallele Anordnung haben, bilden zusammen 
die Westkarpaten. Die zwischen ihnen befindlichen Thäler öffnen 
sich sowohl oacli W als auch nach 0, weshalb der Wasserab- 
fluss nach beiden Seiten, nach jener zur D o n a u. nach dieser 
zur T h eis s hin geht. Ein kleiner Teil der Westkarpaten ent¬ 
wässert sich auch nach N zur Weichsel hin. Die westöstlich 
verlaufenden haben an beiden Enden die Neigung, gleich den Ge¬ 
birgszügen nach S umzubiegen. Hierdurch wird den Flüssen 
ein bogenförmiger Lauf vorgeschrieben, der am deutlichsten 
bei dem längsten Flusse, der Waag, ausgeprägt ist. 
Die Waag (= Flut, wogendes Wasser, vom got. vêges, nhd. 
Woge) ist der echte Fluss der Tatra. Sie entsteht aus zwei 
Quellflüssen, aus der Schwarzen und der Weissen Waag, von 
denen erstere auf dem nördlichen Abhänge der Niedern, letztere 
aul dem Südabhange der Hohen Tatra entspringt. Auf der ersten 
Hälfte ihres Laufes fliesst sie vorwiegend nach W, auf der zweiten 
nach S. Bei Koni or n erfolgt die Mündung in die Donau.
	        
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