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Emen solchen hat man jetzt bei Butzbach nachgebildet; auch die
Pallisaden und ein Stück des Grabens beim Turme sind wieder
hergestellt.
Zur Zeit der Völkerwanderung vereinigten sich die Chatten
und Sugambrer mit den Franken. Der Name Chatten verschwand
damit; aus ihm bildete sich später die Bezeichnung Hessen. Die
Franken eroberten das römische Gebiet am Mittelrhein und drangen
bis nach Gallien vor, das nach ihnen Frankreich genannt wurde.
Infolge dieses Vordringens nach Südwesten nahmen die Sachsen
(Cherusker und andere Stämme) den nördlichen Teil des alten
Chattengebietes zwischen der Diemel und der Fulda ein. Er erhielt
den Namen „Sächsischer Hessengau" und hat bis heute vorwiegend
sächsische Bevölkerung. Den übrigen Teil ihres Landes behielten
die Franken (Hessen).
Der Wohnsitz der alten Hessen wurde Hof (Hufe, Hube) ge-
nannt; er war von Ackerland, Wiese und Wald umgeben. Mehrere
benachbarte Höfe bildeten eine Gemeinde, mehrere Gemeinden
eine Mark, mehrere Marken einen Gau. Einige dieser Gaue
waren der sächsische Hesseng au (zwischen Fulda und Diemel),
der fränkische Hessenga.u (Niederhessen), Buchonien (= Buchen¬
land, an der oberen Fulda), der Ringgau, der Oberlahngau,
der Rheingau, der Einrich (zwischen Wisper, Rhein und Lahn)
und der Engersgau (Gegend von Montabaur). Mehrere von
diesen Gegenden haben die alten Gaunamen bis heute behalten.
Die freien Männer eines Gaues versammelten sich zu bestimmten
Zeiten an der Malstätte zur Volksversammlung (Ding, Thing).
Die Hauptmalstätte des ganzen Hessenlandes war Mattium. Fin¬
den sächsischen Hessengau war Dietmelle (das heutige Kirchdit-
mold bei Cassel) die Malstätte, für den Engersgau der Malberg
bei Montabaur, für den Gau Einrich Marienfeld. Jeder Gau
wurde unter der Herrschaft Karls des Großen und seiner Nach-
folger von einem Grafen regiert. Diese Grafen wurden später
oft selbständige Herren.
Um den Franken das Christentum zu bringen, kam um das .
Jahr 350 n. Chr. der heilige Lubentius von Trier in die Lahn-
gegend und gründete zu Dietkirchen eine Kirche, in welcher er später
begraben wurde. Noch jetzt gilt Lubentius als Schutzheiliger der
Lahnschiffer. Am Rhein predigte reichlich 200 Jahre später St.
Goar; nach ihm sind die Orte St. Goar und St. Goarshausen
benannt. In der Gegend am Main und. an der Rhön verkündiget
der heilige Kilian (^ 689) das Evangelium; er soll 668 auf dem
Kreuzberge das erste Kreuz errichtet haben. Am meisten wirkte für
die Bekehrung der Hessen Winfried oder Bonifatius, der
„Apostel der Deutschen". Er taufte 722 auf der Amöneburg zwei
Grafen und gründete daselbst ein Kloster. Bei dem Orte Geismar
fällte er die berühmte Donarseiche und erbaute aus ihrem Holze
eine Kapelle, an deren Stelle der Dom zu Fritzlar später entstand.
Auf dem Büraberge bei Fritzlar gründete Bonifatius den ersten