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Weinberge, die sich bis auf die Abhänge der etwa 5 km entfernten
Taunusberge hinziehen. Der Ausblick wird durch die dunkle Linie
des mit Wald gekrönten Gebirges abgeschlossen.
Die Schönheit des rechten Rheinufers wird uoch gehoben durch
die Dürftigkeit des linken. Statt der Weinberge sehen wir hier
meist Ackerland und hin und wieder auch Laub- und Kiefernwälder.
Am Flusse selbst liegt bis Bingen kein größerer Ort. In der Ferne
erblickt das Auge mehrere Ortschaften, unter ihnen das altberühmte
Ingelheim. Hier erbaute Karl der Große einen prächtigen, mit
Marmorsäulen geschmückten Palast, hier war sein Lieblingsaufenthalt,
und mancher wichtige Reichstag ward hier gehalten. Auf der Kaiser-
pfalz zu Ingelheim wurde Heinrich IV. von den deutschen Fürsten
abgesetzt. Noch zur Zeit Barbarossas, der oft zu Ingelheim weilte,
stand der Palast; doch hundert Jahre später sank er in Trümmer,
uud heute sucht der Reisende dort vergeblich nach einer Spur von
Karls Kaiserpfalz. Aber den Namen des großen Kaisers haben
Geschichte und Sage für immer mit Ingelheim und dem Rheingau
verknüpft. Von seinem Schlosse zu Ingelheim aus soll Karl einst
beobachtet haben, daß im Frühling der Schnee zuerst gegenüber am
Abhänge des Taunus schmolz. Darauf ließ er dort Reben anpflanzen,
deren Weine nun seit einem Jahrtausend weltbekannt sind.
„Bei Rüdesheim, da funkelt der Mond ins Wasser hinein
Und baut eine goldene Brücke wohl über den grünen Rhein.
Der Kaiser geht hinüber und schreitet langsam fort
Und segnet längs dem Strome die Reben an jedem Ort.
Dann kehrt er heim nach Aachen und schläft in feiner Gruft,
Vis ihn im neuen Jahre erweckt der Traubenduft." lEeibel)
Wir wenden uns jetzt wieder dem rechten Ufer zu. Dicht bei
Biebrich sehen wir den Weinort Schierstein und etwas weiter
Niederwalluf, wo das Flüßchen Walluf vom Taunus her ein-
mündet. Dann bringt uns das Schiff nach Eltville. Die Stadt
(4300 Einw.) ist eine der ältesten Siedelungen des Rheingaus und
hat ein Lehrerinnenseminar. Hinter dieser Stadt liegt nach dem
Gebirge zu der berühmte Weinflecken Rauenthal. Wir fahren
gleich darauf an den Weinorten Hattenheim, in dessen Nähe der
feurigeMarkobruuuerwächst, Ostrich und Winkel vorüber. DieEbene
zwischen dem Rhein und dem Taunus wird immer schmäler. Vor dem
Gebirge bemerken wir gleich hinter Winkel einen kegelförmigen Berg,
dessen Gipfel mit einem Schlosse gekrönt ist. Das ist der weitberühmte
Johannisberg, der an seinen Hängen den edelsten aller Rhein-
weine hervorbringt. Das Schiff fährt nun weiter an Geisenheim
(Kgl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau; 4200 Einw.)
vorbei und gleich darauf nach Rüdes he im (4600 Einw.). Hier
hat die Rheinebene ein Ende; die Berge treten jetzt dicht an den
Strom heran. Wir unterbrechen hier die Fahrt, um diesen schönsten
Fleck deutscher Erde sorgfältiger zu betrachten.
Unmittelbar hinter den letzten Häusern der am Rheinufer sich
hinziehenden Stadt Rüdesheim erhebt sich der Niederwald, das