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in den Stadtmauern erstehen zu lassen. Alle Bauarten des Mittel-
alters sind durch Kirchen und Wohnhäuser in großer Fülle und seltener
Schönheit in den engen, auf- und abwärtsführenden Straßen der Alt-
stadt vertreten. Von hervorragend schöner Art ist von den nicht kirch-
lichen Bauwerken (Profanbauten) das Knochenhauer Amthaus,
an einer Ecke des altertümlich aussehenden Marktes stehend. Dieser
in Holzgebälk aufgeführte Bau hat eiu hohes Untergeschoß mit ganz
durchreichender Diele, darüber zwei vorspringende Stockwerke, ein hohes
und ein niedriges, und endlich einen mächtigen, steilen Giebel. Alles
Gebälk ist mit Schnitzwerk bedeckt; dieses wird, soweit es sich um
Laubwerksverzierungen handelt, weit und breit von keinem anderen
übertroffen.
Ein Ende mit Schrecken nahm diese Blütezeit Hildesheims in
dem furchtbaren Dreißigjährigen Kriege; die Not stieg durch Erpressung
hoher Geldsummen und durch starke kaiserliche Truppenmassen, die sich
in die Stadt gelegt hatten, so sehr, daß der Rat 1634 ernstlich darüber
Erwägungen anstellte, ob man sich nicht das Leben nehmen solle. Jahr-
hunderte hat Hildesheim nötig gehabt, um die Schreckenszeit völlig zu
verwinden. Erst durch die Einführung der neuen Verkehrsmittel, weiter
durch die Beseitigung des lästigen Zunftzwanges und durch die Be-
freiung der ländlichen Bevölkerung von den drückenden Lasten und
Fronden ist in unserm Jahrhundert reiches Leben erblüht; die Stadt,
die 1800 nur etwa 10000 Bewohner hatte, zählt jetzt derer 43000.
Das durch Ackerbau reiche umliegende Land gestattet einen leb-
haften Handel mit zahlreichen Erzeugnissen der Landwirtschaft. So
ist Hildesheims Wollmarkt der bedeutendste im nordwestlichen Deutsch-
land. Eine rege Fabrikthätigkeit hat sich dazu entwickelt, die aus ein-
zelnen Gebieten Vorzügliches leistet; geradezu berühmt sind die Zucker-
rafsinerie CZuckerreinigung), die Senkingsche Koch Herdfabrik, die Prä-
servensabrik (Obst- und Gemüse-Verwertungsfabrik) und die eigenartige
Blutegelzucht. Die aus den vielseitigen Erwerbsquellen fließende
Wohlhabenheit gestatten der Stadt, große Summen für gemeinnützige
Zwecke und für Erhaltung der Kunstschätze aufzuwenden. So schreitet
Hildesheim neben Hannover und Göttingen daher als Stadt ausge-
zeichneter Schulen und einzig dastehender Altertumssammlungen (Rö-
mermuseum). Man kann heute mit Recht Hildesheim im Hinblick
sowohl auf seine Kunstschütze, als auch auf seine Betriebsamkeit das
norddeutsche Nürnberg nennen.
Kehren wir noch einmal zu dem lieblichen Leinethale zurück.
„Eine der lieblichsten Stellen im Leiuethale findet sich am Fuß des
südlichsten der Sieben Berge, wo die mit ihrem stattlichen Turmpaar
das Thal weithin beherrschende Stadt Alfeld am Wiesengrunde in
mählicher Ansteigung sich ausdehnt, während gegenüber am linken
Flußuser der Schleeberg aus dem Höhenzuge malerisch sich vorschiebt,
gleichsam dazu einladend, von seinem Gipfel die köstliche Aussicht zu
genießen" (Mitho ff). Alfeld, 1221 zuerst in einer Urkunde des
Hildesheimer Bischofs Siegfried erwähnt, hat also auch durch die
Bischossmacht Anregung erfahren, wenn es auch seinen Ursprung