Full text: Die Provinz Hannover (H. 4)

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Heide und Moor liegen oft so nahe, daß wir mit einem Fuße 
noch auf dem trockenen Sande der Heide stehen können, während wir 
unter dem Tritte des anderen Fußes die vor uns liegende Erde er- 
zittern fühlen. Wo zwischen den Sandbänken der Heide in einer 
Niederung sich die trägen Gewässer stauen, da ruht auf dem Sandboden 
die braune Moorerde in einer Dicke, die in den Mooren des Emslandes 
und dem Teufelsmoore bei Bremen bis 9 in beträgt. Um die offenen 
Wassertümpel oder die Bäche und Flüßchen herum, die eine Rille in die 
Moorerde gewühlt haben, grünen Gräser und Schilf; aber weiter ab 
von diesen Rillen und Senken ist nichts zu erblicken als braungrünes 
Land. Auf stundenweitem Plane kein Baum und kein Vogelsang. Das 
Auge schweift ohne Anhalt über die unbegrenzte Fläche, und dadurch 
bekommt der Beschauer das Gefühl, als befinde er sich auf einer be- 
deutenden Anhöhe, welche durch ihre Todesstille und ihre dunkle Farbe 
traurig stimmt und abschreckend wirkt. Und doch hat die Menschenkraft, 
die auch die widerstrebendste Natur in ihre Dienste zwingt, auch diese 
unwirtlichen Moorwüsten bezwungen. Es ernähren sich jetzt da, wo 
Hase und Fuchs nicht zu leben vermochten, viele fleißige Menschen. 
So wie es von unsern reichen Marschen heißt: „Ohne Deich kein 
Reich", so könnte man von unsern Mooren sagen: Ohne Kanal nur 
Qual. Sobald Wassergräben in der Mooröde gezogen sind, ist dort 
Leben und Wohlstand begründet. Es bedarf dann nur noch der vielen 
fleißigen Hände, die an diesen Lebensadern die Bebauung des Moores 
beginnen. Um solche Kanäle sind alle unsere Fehnkolonien (Moor- 
ansiedlungen) entstanden. Die Bewohner der Fehnkolonien haben sich 
an den schiffbaren Wassergräben, den Kanälen, angesiedelt, weil die 
Kanüle ihre Verkehrsstraßen sind. Durch sie hat der Bewohner der 
Fehne leichten Absatz von Torfmassen nach der Stadt und die Möglich- 
keit, sich Schlamm und Dünger für seine kargen Felder mitzubringen. 
Uberraschend ist der Anblick eines Fehn es, wenn man sich 
demselben vom Moore her nähert. Zuerst tauchen in der Ferne große 
Torfhaufen auf, die jeden Durchblick verhindern. Sind wir an diesen 
Torfbergen angekommen, so stehen wir am tief abgeschnittenen Rande 
des Moores. Hinter uns Stille und Einsamkeit; vor uns eifriges 
Regen und buntes Leben. Rechts und links am Ufer des mit Schilf 
bedeckten Kanales, der sich stundenweit hinzieht, stehen in unabsehbarer 
Reihe die Häuser der Kolonisten. Diese Wohnungen sind mit ihren kleinen 
Gärtchen in Einschnitte gebettet, wie man sie durch den Torfabstich 
gewonnen hat. Die ersten Häuser und Gärten sind noch klein. Aber 
je weiter wir den Kanal hinabschreiten, desto mehr weicht der Rand 
des braunen Moores zurück. Saftige Wiesen, fruchtbare Kornfelder 
umziehen die immer größer werdenden Gärten und Häuser. Bald zeigen 
sich Mühlen, Fabriken und Werkstätten zum Bau und zur Ausbesserung 
der Kähne und Schiffe. Man ist plötzlich mitten in dem Getriebe 
einer lebhaften Stadt, die ihr Dasein dem Moorkanale verdankt. 
Es sind zufriedene und frohe Menschen, die in den Fehnen 
wohnen; sie sehen an jedem Tage bei ihren Fahrten auf dem Kanal, 
wie Wohlstand und Reichtum ihre harte Arbeit lohnt. Wer da hoch
	        
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