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Heide und Moor liegen oft so nahe, daß wir mit einem Fuße
noch auf dem trockenen Sande der Heide stehen können, während wir
unter dem Tritte des anderen Fußes die vor uns liegende Erde er-
zittern fühlen. Wo zwischen den Sandbänken der Heide in einer
Niederung sich die trägen Gewässer stauen, da ruht auf dem Sandboden
die braune Moorerde in einer Dicke, die in den Mooren des Emslandes
und dem Teufelsmoore bei Bremen bis 9 in beträgt. Um die offenen
Wassertümpel oder die Bäche und Flüßchen herum, die eine Rille in die
Moorerde gewühlt haben, grünen Gräser und Schilf; aber weiter ab
von diesen Rillen und Senken ist nichts zu erblicken als braungrünes
Land. Auf stundenweitem Plane kein Baum und kein Vogelsang. Das
Auge schweift ohne Anhalt über die unbegrenzte Fläche, und dadurch
bekommt der Beschauer das Gefühl, als befinde er sich auf einer be-
deutenden Anhöhe, welche durch ihre Todesstille und ihre dunkle Farbe
traurig stimmt und abschreckend wirkt. Und doch hat die Menschenkraft,
die auch die widerstrebendste Natur in ihre Dienste zwingt, auch diese
unwirtlichen Moorwüsten bezwungen. Es ernähren sich jetzt da, wo
Hase und Fuchs nicht zu leben vermochten, viele fleißige Menschen.
So wie es von unsern reichen Marschen heißt: „Ohne Deich kein
Reich", so könnte man von unsern Mooren sagen: Ohne Kanal nur
Qual. Sobald Wassergräben in der Mooröde gezogen sind, ist dort
Leben und Wohlstand begründet. Es bedarf dann nur noch der vielen
fleißigen Hände, die an diesen Lebensadern die Bebauung des Moores
beginnen. Um solche Kanäle sind alle unsere Fehnkolonien (Moor-
ansiedlungen) entstanden. Die Bewohner der Fehnkolonien haben sich
an den schiffbaren Wassergräben, den Kanälen, angesiedelt, weil die
Kanüle ihre Verkehrsstraßen sind. Durch sie hat der Bewohner der
Fehne leichten Absatz von Torfmassen nach der Stadt und die Möglich-
keit, sich Schlamm und Dünger für seine kargen Felder mitzubringen.
Uberraschend ist der Anblick eines Fehn es, wenn man sich
demselben vom Moore her nähert. Zuerst tauchen in der Ferne große
Torfhaufen auf, die jeden Durchblick verhindern. Sind wir an diesen
Torfbergen angekommen, so stehen wir am tief abgeschnittenen Rande
des Moores. Hinter uns Stille und Einsamkeit; vor uns eifriges
Regen und buntes Leben. Rechts und links am Ufer des mit Schilf
bedeckten Kanales, der sich stundenweit hinzieht, stehen in unabsehbarer
Reihe die Häuser der Kolonisten. Diese Wohnungen sind mit ihren kleinen
Gärtchen in Einschnitte gebettet, wie man sie durch den Torfabstich
gewonnen hat. Die ersten Häuser und Gärten sind noch klein. Aber
je weiter wir den Kanal hinabschreiten, desto mehr weicht der Rand
des braunen Moores zurück. Saftige Wiesen, fruchtbare Kornfelder
umziehen die immer größer werdenden Gärten und Häuser. Bald zeigen
sich Mühlen, Fabriken und Werkstätten zum Bau und zur Ausbesserung
der Kähne und Schiffe. Man ist plötzlich mitten in dem Getriebe
einer lebhaften Stadt, die ihr Dasein dem Moorkanale verdankt.
Es sind zufriedene und frohe Menschen, die in den Fehnen
wohnen; sie sehen an jedem Tage bei ihren Fahrten auf dem Kanal,
wie Wohlstand und Reichtum ihre harte Arbeit lohnt. Wer da hoch