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offen. Der sicilische Krieg schien eine immer schlimmere Wendung für die
Römer zu nehmen. „Der römische Senat kam in demselben um sein Geld
und die römischen Soldaten und Feldherren um ihre Ehre. Da entschlossen
sich eine Anzahl einsichtiger und hochherziger Männer, den Staat auch wider
Willen und Beschluß der Regierung zu retten. Durch Privatunterzeichnung
stellten die vermögenden vaterlandsliebenden Römer eine Kriegsflotte her,
und zwar, was Bau und Bemannung betraf, viel sorgfältiger und ausge¬
wählter als dies früher von Staatswegen geschehen war. „Daß eine An¬
zahl Bürger im dreiundzwanzigsten Jahr eines schweren Krieges zwei¬
hundert Linienschiffe mit einer Bemannung von 60,000 Matrosen frei¬
willig dem Staate darboten, steht ohne Beispiel da in den Annalen der
Geschichte." Mit dieser Flotte war der Krieg entschieden, denn die Kar¬
thager waren nicht gerüstet und wurden vollständig überrascht. In einer
Schlacht bei der kleinen Insel Ae gusa errang die römische Flotte unter der
Führung des L u t a t i u s C a t u l u s einen vollständigen Sieg. Fünfzig kartha¬
gische Schiffe wurden versenkt, siebenzig erobert, die übrigen auf der Flucht
zerstreut. Die Einnahme der Stadt Erhp endigte beinahe gleichzeitig den
Krieg zu Lande. Die Karthager baten um Frieden und erlangten ihn unter
der Bedingung, Sicilien für immer zu räumen, sich aller Eroberungen im
mittelländischen Meere und an den europäischen Küsten zu enthalten und
dritthal'b Millionen Thaler unseres Geldes als Tribut den Römern aus¬
zuzahlen. Dafür wurde die Selbstständigkeit des karthagischen Staates
und Gebietes ausdrücklich anerkannt. Die Römer traten in den Besitz
Siciliens, und bemächtigten sich überdies noch, als die Karthager nach
dem Kriege einen gefährlichen Aufstand ihrer eigenen Miethsoldaten zu
bekämpfen hatten, mitten im Frieden der vamals sehr reichen Insel Sar¬
dinien. Für Rom aber wurde der Besitz Siciliens die Grundlage der
Weltherrschaft. Sie war die erste römische Provinz, d. h. die erste
außeritalische Landschaft, welche zu einem Staats steuergut eingerichtet
wurde.
Indessen sollte den Römern nur eine kurze Ruhe beschieden sein, denn
während Sicilien, Corsika und Sicilien, als römisches Eigenthum befestigt
wurden, die Karthager mit mißtrauischem Auge jeden Schritt der Römer
belauerten, brach ein alter gefürchteter Feind, die Gallier, auf's Neue in
Etrurien ein. Bei ihrem Heranziehen wurden die traurigen Erinnerungen
an die Schlacht bei der Allia und an die Einnahme Roms von Neuem
lebendig; Furcht und Sorge bemächtigte sich des Senates und des Vol¬
kes. Doch wie es den Römern eigen war, daß sie gerade in den Zeiten
der höchsten Gefahr die meiste Kraft und Energie, mit heller Geistes¬
gegenwart verbunden, entwickelten, so waren ihre Schritte auch jetzt so
wohlberechnet und rasch, daß, als der furchtbare Feind, Brand und Ver¬
wüstung bringend, vor Clusium stand, die Römer schon an der Spitze der
italischen Völkerschaften ihm entgegentraten. Bei Telamón, an Etru¬
riens Küste, kam es zur entscheidenden Schlacht. Die Gallier erlitten