Metadata: Das Altertum (Teil 3)

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küche lebte. Auch das Kapitol verband er mit dem Palatin durch einen 
Bau, um die Göttersitze zu vereinigen. Oft hielt er mit dem Bilde des 
Jupiter geheime Zwiesprache und kündigte ihm in drohendem Tone an, 
daß seine Herrschaft zu Ende sei. Nur wenn es blitzte und donnerte, 
wurde ihm vor seinem Nebenbuhler bange. 
Denn dieser aus dem eigensten Wahnsinn geborene Gott war seiner 
Würde keineswegs sicher und wurde von dem kläglichsten Neide geplagt 
gegen alles, was an den Ruhm und die Großtaten der Vergangenheit 
erinnerte. So ließ er die Standbilder der römischen Feldherrn und Staats¬ 
männer aus dem Forum Augustum umstürzen und ihre Ehreninschriften 
vernichten. Er verbot den Manlii Torquati, die Torques, das Ehren¬ 
abzeichen ihres Geschlechtes, das an die Siege über die Gallier erinnerte, 
zu tragen, und entzog den Nachkommen des Pompejus den Ehrennamen 
Magnus. Vergil uud Livius, die gefeiertsten Schriftsteller seines Volkes, 
haßte er so sehr, daß er ihre Werke aus den öffentlichen Bibliotheken zu 
entfernen befahl, mit der Begründung, dem Dichter fehle es an Gelehr¬ 
samkeit und Talent und das Geschichtswerk sei seichtes Geschwätz. Den 
Homer wollte er ganz vernichten. Denn er sagte, warum solle ihm nicht 
gestattet sein, was doch Platon erlaubt war, der Homer aus seinem Staate 
verbannt wissen wollte. Doch tat er sich auf seine Gelehrsamkeit und 
Kenntnis der Literatur weniger zugute als auf seine Beredsamkeit. 
Wenn er im Senate sprach, forderte er durch ein Edikt auch die Ritter 
auf zu erscheinen, um den kaiserlichen Worten zu lauschen. In den Gerichts¬ 
verhandlungen des Senates trat er bald als Verteidiger, bald als An¬ 
kläger der Beschuldigten auf, je nachdem ihn bei der Ausarbeitung der 
Rede die Laune geleitet hatte. Doch hatte er die Gabe der Rede und 
haßte deshalb alle auf das bitterste, die er sich überlegen glaubte ... 
Der berühmte Domitius Äser... dankte seine Rettung nur seiner 
Geistesgegenwart. Als der Kaiser von seinem hohen Sitze im Senate 
gegen ihn losdonnerte, brach er unter den Blitzen solcher Beredsamkeit 
sprachlos zusammen, wie unfähig, sich vom Boden zu erheben, geschweige 
ein Wort zu erwidern. Der Kaiser war hoch erfreut und entließ ihn un¬ 
gekränkt. Seneca, dessen Redekunst der Kaiser, nicht ohne Witz, Mörtel 
ohne Kalk nannte, wurde allgemein bewundert. Er verdankte seine Ret¬ 
tung nur einer Weibsperson, die Ealigula versicherte, Seneca habe die 
Schwindsucht und mache es nicht mehr lange. So war in seiner Nähe 
das Leben aller gefährdet, die seinen Wahnsinn nicht abzulenken wußten. 
Vitellius, der sich unter Tiberius als Statthalter Syriens so trefflich be¬ 
währt hatte, wußte, daß ihm bei feiuer Rückkehr der Tod drohe. Da ver¬ 
hüllte er, als er Ealigula gegenübertrat, fein Haupt, als seien für sein 
irdisches Auge die Strahlen der Göttlichkeit zu mächtig, wandte sich um, 
fiel dann dem Kaiser zu Füßen und bekannte mit Tränen, daß er fortan 
nur zu ihm beten werde. Er stieg hoch in der Gunst des Kaisers, der ihn 
einmal bei vertrautem Zusammensein befragte, ob er auch sähe, daß
	        
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