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uns nicht auch eine Pflanze, ein Tier, einen Menschen auf
den Körperbau an, um über Charakter und Wert urteilen zu
können? So ist's auch bei einem Land bedeutungsvoll, ob wir
Hoch- oder Tiefebene, Hügel- oder Gebirgsland, Dach-, Kessel-
oder Tallandschaft usw., Urgebirgs- oder Aufschüttungsboden,
Sand- oder Vulkangestein, uralten oder jüngsten Boden haben.
An die Bodenbeschaffenheit schließen sich bie Betrachtun¬
gen über Wasser- und K l i m a v e r h ä l t n i s s e. Viele
dieser Fragen ergeben sich schon aus denen der Lage und Bo-
denverhältnisse.
Alle die Erdgebiete, welche uach La g e , B o d e u b e -
schaffe nheit, W a s s e r v e r h ä l t n i s s e n und K l i in a
im allgemeinen übereinstimmen, die bilden eine „n a t ü r =
liehe Landschaf t", gleichsam ein natürliche Provinz oder
ein natürliches König- oder Kaiserreich. Und nach solchen Ge-
bieten muß der Geograph sich die Erde einteilen, um Über-
blick, Erkenntnis und Verständnis zu ermöglichen uud erleich-
tern. Nach solchen natürlichen Landschaften ist auch
das vorliegende Bnch eingerichtet. An den natürlichen
Grenzen rüttelt weder der geriebenste Politiker noch der gewal-
tigste Eroberer. Wie sich die Herren der Welt in die natür-
lichen Gebiete geteilt und ihre Ländchen und Länder rot um-
rahmt haben, d. h. also die p o l i t i s ch e Gliederung, das
berührt erst in letzter Linie. Darum ist die politische Geo-
gvaphie überall erst nach der natürlichen behandelt.
Wer sich das klare Verständnis für Lage, Boden¬
beschaffenheit, Wasser- und Klimaverhältnisse einer natür-
lichen Landschaft erarbeitet hat, der wird auch bald
erkennen, wie diese vier Dmge den Boden abgeben
für die Pflanzen-, Tier- und M e n f ch e n -
w e l t des betr. Gebietes. Wie eine Kette hängen
nämlich alle diese Fragen zusammen, und das Schlußglied die-
fer festgeschmiedeten Kette bildet der M e n s ch mit seinen
wirtschaftlichen und p o l i t i f ch e u V e r h äl t n i f -
f e n. Und jeder, der sich geographische Bildung aneignen will,
muß heute zuerst auf die klare Erkenntnis und das tiefe Ver-
ständnis dieser Kette: Lage, Boden, Wasser, Klima, Pflanzen,
Tiere, Menschen, das Schwergewicht seiner Arbeit legen. (In
dem vorliegenden Buche ist auf Wunsch des Herrn Verlegers
ein Teil des Schlußgliedes über den Menschen selbst in einem
besonderen Teile, der Völkerkunde, zusammengefaßt. Es
müssen also die entsprechenden Kapitel jedesmal dort mit
durchgearbeitet werden.)