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Griechische Geschichte
er, indem er den Begriffen keine wirkliche Existenz beimaß, sondern
sie lediglich als Erzeugnisse der Denktätigkeit betrachtete. So
gewannen für ihn die Einzelerscheinungen der den Menschen um¬
gebenden Welt eine viel größere Bedeutung; ihrer Erforschung hat
er in erster Linie sein reiches Denkerleben gewidmet und so ist er
der Vater fast aller Wissenschaften geworden. Auch er hat eine
große Menge von Schülern, die sogenannten Peripatetiker um sich
gesammelt, die gleich ihm den Ausbau sowohl der Geisteswissen¬
schaften, wie der Naturerkenntnis durch eigene Untersuchungen
förderten.
§ 96. Die Dichtung. Gegenüber der machtvollen Entwicklung
der Philosophie tritt die eigentliche Literatur etwas zurück: immerhin
Euripides hat die Zeit noch in Euripides und Aristophanes zwei Dichter ersten
Ranges aufzuweisen. Euripides ist der jüngste der drei großen Tra¬
giker. Durch ihn hat die Tragödie eine neue Form gewonnen, der
Chor tritt zurück, und seine Gesänge haben eigentlich nur den Zweck,
die Pausen in der Handlung auszufüllen. Um so reicher und
spannender ist diese gestaltet: menschliche Leidenschaften auf
der Höhe des Glücks und in der Tiefe des Elends hat Euripides
mit einem Naturalismus geschildert, der den Zeitgenossen oft an¬
stößig erschien. Aber das Wichtigste ist, daß er den Zwiespalt,
zwischen dem Glauben der Väter und der neuen Aufklärung, an dem
seine eigene Seele krankte, auch in die Charaktere seiner Dramen
hineintrug; erst durch ihn drangen die Gedanken der Sophisten ins
Volk. Freilich hat auch er die Abneigung fühlen müssen, die seine
Zeit der neuen Lehre entgegen brachte; zürnend wie Aeschylos
wandte er endlich der undankbaren Vaterstadt, die ihn neben
Sophokles nicht recht aufkommen ließ, den Rücken und starb am
Hofe des makedonischen Königs Perdikkas (406).
Ein Menschenalter jünger als er war sein Gegner, der geniale
Aristo- Komödiendichter Aristophanes. Vierzig Jahre hat er von etwa 430
phanes an den Kampf gegen die herrschende Politik und die neue Auf¬
klärung geführt, ohne doch durchdringen zu können. Sein Ideal
war die gute, alte Zeit, die Friedensjahre des Perikies: für sie ist
er gegen Kleon in den Rittern, gegen die Politik des Alkibiades in
den Vögeln aufgetreten; die neumodische Aufklärung, als deren
Repräsentanten er mit Unrecht Sokrates betrachtete, hat er in den
Wolken, die neue Dichtung des Euripides in den Fröschen bekämpft.
Mit seinem Tode um 380 ist auch die alte, politische Komödie da¬
hin gegangen; die sogenannte mittlere und neuere Komödie wandte
sich mehr dem Charakter- und sozialen Drama zu.
prosaiite- § 97. Die Prosaliteratur. Reicher ist die Entwicklung auf dem
ratur Gebiet der Prosaliteratur gewesen. Auf ihre Form übte der Sophist