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Sandsteinbrüchen, oder als Fabrikarbeiter in den Fabriken. Noch jeden
Frühjahr gehen viele aus dem Süden des Kreises nach Holland und Nord-
deutschend als Ziegeleiarbeiter, und früher gingen viele aus der Umgegend
von Rodenberg nach Holland zum Mähen. Viele ernähren sich von der Be-
reitung der Leinwand; die Bewohner der hochgelegenen Dörfer auf dem
linken Weserufer sind meist Leinweber. Im Weserthal vermag auch eins
der Tochter des reichsten Bauern den Webstuhl zu regieren. An'den langen
Winterabenden aber sind hier, wie überall bei uns auf dem Lande, 'die
Mädchen und Frauen mit Flachsspinnen beschäftigt; auch die männliche Be-
volkernng nimmt wohl Anteil daran. Dabei werden kernige Volkslieder
gesungen und echte Volksmärchen erzählt. Die Schiffahrt auf der Weser hat
sehr abgenommen. Die übrigen Einwohner im Kreise haben sich dem Be-
amtenstande und den sonstigen öffentlichen Berufen gewidmet. Kein Kreis-
kind, das Lust zur Arbeit hat, braucht Hunger zu leiden, und im allgemeinen
herrscht viel Wohlstand im Kreise.
3. Die Bewohner unsers Kreises sind Nachkommen der alten Sachsen und ein
schöner, kräftiger und ziemlich gut beanlagter Menschenschlags Reich an echter Volks-
tümlichkeit, tritt in dem Schanmbnrger noch vielfach in Gestalt, Sprache, Sitte und Kleidung
der alte sächsische Stamm hervor. Am meisten sind die Bewohner des Amtes Rodenberg,
die sich durch kräftigen Körperbau und einfache Lebensweise auszeichnen, den Sitten ihrer
Väter treu geblieben. Der Bewohner des Weserthales dagegen ist für das Neue em-
pfänglich und ahmt in vielfacher Beziehung dem Städter nach. Im allgemeinen ist der
Schaumburger fleißig und ausdauernd, treu, schlicht uud bieder, aber auch kräftig und
derb bis zur Grobheit. Mit stolzem Selbstbewußtsein nennt er sich einen Schanmbnrger.
Er hängt mit Liebe an seiner Heimat und mit Treue und Ergebenheit an seinem Laudes¬
herrn. — Die bei uns gesprochene Sprache ist die plattdeutsche; auch die Bürger in den
Städten bedienen sich meistens derselben. Die Mundarten sind in den einzelnen Gegenden
des Kreises sehr verschieden; fast jeder Ort zeichnet sich durch eine besondere Klangfarbe
seiner Laute aus. Während im Weserthal eine weiche und wohlklingende Mundart herrscht,
ist die im Rodenbergischen rauh und schnarrend. Bemerkenswert ist, daß es dem Schaum-
burger große Schwierigkeit verursacht, den 3. und 4. Fall zu unterscheiden, und daß er
statt „nur" das unbestimmte Fürwort „man" gebraucht.
Nach altem sächsischen Rechte wird bei uns der Grundbesitz nicht geteilt,
sondern der Vater überläßt das Gut dem ältesten Sohne ganz, und dieser
hat au die übrigen Geschwister nur eiue Herausgabe zu entrichten. Daher
finden sich bei uns große Bauerngüter und schöne Dörfer vor. Letztere sind
nach altsächsischer Weise angelegt, die sich durch die zerstreute Lage der ein-
zelnen Häuser und Gehöfte kenntlich macht. Es herrscht auch noch auf dem
Laude der altsächsische Häuserbau. Wohnhaus, Scheune und Stallungen sind
nämlich eins; das große Scheunenthor ist zugleich auch die Hausthür; zu
beideu Seiten der Tenne sind die Viehstülle, sodaß die Krippen unmittelbar
von der Tenne aus beschüttet werden. Im Hintergrunde des Hauses befinden
sich die Stuben, Kammern und Küche. Im Norden des Kreises trifft man
noch viele Strohdächer an; doch dürfen solche der größern Feuergefährlichkeit
halber bei Neubauten nicht mehr angebracht werden. Der massive Häuserbau
findet immer mehr Eingang. — Die noch vielfach bei neuerbauten Häusern
aus einen Hauptbalken geschriebenen Reimsprüche legen Zeugnis von der
Gottesfurcht des Volkes ab. Allgemein verbreitet ist noch die aus der Heid-
uischeu Vorzeit stammende Sitte, am ersten Osterabend auf den Höhen sogen.
Ostersener anzuzünden. Bei den alljährlich gefeierten Schützenfesten und
Erntebieren, sowie bei Hausrichtungen und Hochzeiten geht es hoch her.
Besonders werden im Amt Rodenberg die Hochzeiten mit größter Pracht und