Object: Der Abt von Amelunxborn (Bd. 1)

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der Herzog diese Worte gesprochen hatte. Nur einer ver¬ 
harrte im düstern Schweigen; das war der bischöfliche 
Legat aus Hildesheim. Als die Ruhe wieder hergestellt 
war, erbat er sich die Erlaubnis, einige Worte sprechen 
zu dürfen; sie wurde ihm gewährt. 
„Durchlauchtigster Herzog", hub er an, „ich kann 
nicht umhin, meiner Verwunderung Ausdruck zu geben 
über das, was ich hier soeben gehört habe. Es ist mei¬ 
nem Herrn, dem hochwürdigen Bischof Burkhart von 
Oberg, nicht unbekannt geblieben, daß Ihr eine Botschaft 
an den heiligen Vater gesendet habt mit der Bitte, Euren 
Sohn, den Grafen Eitel Heinrich von Kirchberg, für 
rechtbürtig zu erklären. Der Nachfolger Petri, der das 
Recht hat, zu binden und zu lösen, hat in seiner Gnade 
dieser Bitte gewillfahrt, damit Euer Land nicht ebenfalls 
eine Beute der lutherischen Ketzerei werde. Nun ver¬ 
nehme ich aber aus Eurem Munde, daß Ihr dennoch den 
ketzerischen Sohn dem im rechten Glauben stehenden vor¬ 
zieht; das sieht, gelinde gesprochen, einer Verhöhnung der 
päpstlichen Gewalt ähnlich. Ich frage Euch deshalb, ob 
ich das, was ich hier gesehen und gehört habe, so aufzu- 
faffert habe, als wenn auch Ihr die Hand dazu bieten 
wollt, daß die Ketzerei und der Abfall nun auch hier eine 
Stätte finde?" 
Ein Gemurmel des Unwillens ging durch den Saal 
bei diesen Worten des bischöflichen Gesandten; aller Augen 
waren auf den Herzog gerichtet, und mancher erwartete 
wohl schon eine harte Antwort. Aber Heinrich blieb 
ruhig und sagte nach einigem Besinnen: „Ich kann es 
nicht hindern, hochwürdiger Herr, wenn Ihr meinen 
Worten eine solche Bedeutung unterlegt. Ich bin ein 
alter Mann und will die wenigen Jahre, die Gott vielleicht 
meinem Leben noch zusetzt, Frieden mit meinem Volke 
haben. Das Volk aber wünscht die Heimkehr des Prinzen, 
und ich selbst, gestehe ich es nur, sehne mich darnach, sein 
Angesicht wieder zu sehen, wie einst Israel sich sehnte 
nach seinem Sohne Joseph. Ich werde nicht veranlassen, 
daß mein Land lutherisch werde, aber ich werde fortan nie-
	        
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