Erzgebirge.
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niedergebrannten Städte wieder, die Lücken der Bevölkerung ergänzten sich; denn noch
waren die Schäle der Erde vorhanden.
Der dritte Zeitraum beginnt Mitte des 16. Jahrhunderts, Woldas „silberne
Zeitalter" seinen Höhepunkt erreicht hatte, die Schätze schwerer zu Tage gebracht
wurden und der Preis der Metalle durch die amerikanische Zufuhr sank. Der Ver-
dienst der Männer war nicht mehr ausreichend und fleißige Frauenhände griffen zur
Spitzenklöppelei oder zum Strohflechten; die Männer fertigten Schnitzereien oder
wurden Blech-, Nagel- oder Löffelschmiede, Korbmacher, Weber, Uhrmacher u. s. w.
Neue Einwanderer (Niederländer und Böhmen), ihres Glaubens halber verfolgt,
verschmäheten selbst die trostlosen Einöden des GMrgskammes nicht und siedelten
sich an. Entsetzlich wüthete daher die HungerZnoth (1771—1772), welche fünfzig¬
tausend Menschen hinwegraffte. Da erschien als Rettung die schon im Jahre 1717
in Sachsen eingeführte Kartoffel im Gebirge und gedieh hier ausgezeichnet. --- Je
mehr Schwierigkeit der Bergbau verursachte, um so bedeutender wurden die Hilfs-
mittel, um so großartiger entfaltete sich die Bergwissenschaft, die Schätze zu heben.
Der vierte Zeitraum beginnt mit dein 19. Jahrhundert, wo der Bergbau
wieder etwas emporblüht, die Hausindustrie aber immer undankbarer wird, und ob-
wohl in den Niedern, init Schindeln oder Stroh gedeckten Holzhütten noch der Web-
stuhl klappert, das Spinnrad summt, die Klöppelhölzer rascheln, die Drechselbank
der Holzdreher brummt, sv erzählen doch gewaltige Schornsteine vom Walten der
mächtigen Dampfkraft, welche riesige Maschinen aller Art in Bewegung setzt. An
den wilden Gebirgswässern, die helläugig zu Thale eilen, drehen sich munter die
Näder von Fabriken, Mühlen, Poch- und Drehwerken. Neberall hat Menschenfleiß
die Thüler und Höhen erschlossen; wohlgepflegte und bebauete Hänge schließen die
oben noch mit Wald umsäumten Thüler ein und von allen deutschen G e -
birgen ist das Erzgebirge am stärksten bewohnt.
Der Erzgebirger. Der Character des Bewohners in diesem
Gebirge ist ein Spiegelbild seiner Landschaft, Erzgebirge heißt sie, Berg-
mann ist er. Meist von mittelgroßer, hagerer Gestalt, zeigt sein schlichtes
Gesicht hellen Verstand und große Offenheit; er ist anstellig, geschickt
in den verschiedensten Gewerben, nnd ebensowenig wie der Erzgebirger
die Fenster seiner Wohnung mit Vorhängen verhüllt, ebensowenig ver-
steckt er seine Denkweise und verhüllt sein Innres vor dem Fremden.
Rechtschaffen und fromm, nach schlichter, wackrer Weise seiner Väter, ringt
er, oft unter schwerer Sorge, um das tägliche Brod. Tief in der Erde
Schoos arbeitet er beim matten Schein der Grubenlampe, das kostbare
Erz aus hartem Gesteine lösend, umgeben von tausend Gefahren, welche
die tückische, sonnenlose Tiefe birgt. Betteln ist ihm die größte Schande,
nur selten sprechen Krüppel um eine Gabe an. Der arme Erzgebirger,
der den Fremden im einsamen Walde zurecht weist oder ihn am Schachte
belehrt, macht auch da, wo ihn kein Auge belauscht, keine verlangende
Miene oder streckt gar, wie der unverschämte Bettler des benachbarten
Böhmens die Hand nach dein Trinkgelde aus; die geringste Gabe wird
mit verlegener, schüchterner Dankbarkeit angenommen oder mit schäm-
rothem Gelichte freundlichst bittend abgelehnt. Ehrlichkeit uud Treue
schmücken den ärmlich oft in vielfach geflicktem Kleide einherschreitenden
Erzgebirger besser als funkelndes Edelgestein. Mit herzlicher Dankbarkeit
gegen Gott genießt er, anspruchslos und zufrieden sein trocknes, grobes
Brod,^ seine lieben Kartoffeln uud seinen „Blümchenkaffee", der oft nur
tuta Nnnkeln, Gerste, Möhren nnd wenig wirklichen Kaffeebohnen gebraut
ist. Bei aller Armuth ist er gastfrei nach seinen Mitteln, die Einladung
mitzuesseu, ist bei ihm keine bloße Form. — Fest hängt ?r ain Her-