Full text: Das Königreich Sachsen

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gebrachten, Alten, bei aller Erwerbslust oft ersichtliche Vortheile miß- 
achtend, wenn es gilt neue Verhältnisse zu schaffen oder sich in dieselben 
hineinzuleben. Eine weitere Schattenseite ist die, daß dem Volke der 
rege Bildungseifer mangelt; denn ohne Zwang sind die Räume der 
Berg-, Klöppel-, Schnitz- nnd Flechtschulen leer. Bei gutem Verdienste 
ist der Erzgebirger selten haushälterisch und dann oft leichtsinnig. Aerm- 
liche Kost, Mangel an Bewegung im Freien, die immer gebückte Haltung 
bei der Stubenarbeit, mancherlei Sorgen sind die Ursachen, daß der 
Erzgebirger eine schwächliche Gestalt und eine schwankende Gesuudheit 
besitzt. In den Schulen trifft man viele kleine, schwächliche, bleichwangige 
Kinder, deren Antlitz auffallend ernst ist; wilde Fröhlichkeit und Aus- 
gelasfenheit ist nicht unter ihnen zu finden, die Armuth drückt schon die 
Kindesseele. Das liebste Vergnügen der Kinder ist der Gesang. — 
Braust der Wintersturm durch die Waldthäler und wirbelt der Schnee 
in ungeheuren Massen herab auf die Fluren, Weg und Steg mit meter- 
hohen Schichten bedeckend, da zeigt es sich, wie gesellig der Erzgebirger 
ist; dann sucht er Platz am gewaltigen Ofen, und wenn die frischen 
Kehlen der Enkel und Enkelinnen vom Gesänge verstummen, hat das 
alte, runzelige, hochgeehrte und wohlverpflegte „Mütterchen" im Lehn- 
stuhl das Wort und wundersame Sagen klingen aus verstaubter, ver- 
klungener Zeit herüber in die laute Gegenwart: die Berggeister halten 
ihren Reigen, gespenstige Rosse jagen um die verfallenen Halden, die 
Zwerge zeigen wundersame Schätze, Waldfräulein warnen vor dem wilden 
Jäger — — und draußen braust der pfeifeude Schneesturm durch die 
beeisten Tannen und die Wetterfahnen und Fensterläden rasseln in den 
verrosteten Angeln. —- — 
Schon Ende October giebt's Schnee und Eis und der Mai ist im 
Anfange noch nicht sicher dort oben vor einem ganz gehörigen Schnee- 
Wetter. 
Das Erzgebirge ist seiner Hauptmasse nach ein Urgebirge, in wel- 
chem Gneis, Glimmerschiefer, Grmmlith und Urthonschiefer mit Granit 
vielfach abwechseln. Der Hochkamm des Gebirges bildet die Wasser- 
scheide zwischen Eger und Mulde; derselbe ist eine einförmige, oft stun¬ 
denbreite, meist öde Sumpf- und Waldflüche von 700 — 1000 m. 
(2200 — 3200') durchschnittlicher Höhe, im östlichen Theile niedriger, 
im westlichen höher. Die höchsten Kuppen des Gebirges sind in der 
Nähe des südlichen Steilabfalles, meist waldige Rücken und Kegel mit 
abgerundeter, abgeplatteter Spitze. Die politische Grenze läuft so über 
den Kamm, daß die größten Höhen und der ganze Südabhang des Ge- 
birges dem Königreiche Böhmen zufallen. Hier zeigt das Gebirge im 
Keilberg oder Sonnenwirbel (1240 m. oder 3804') die größte Erhe¬ 
bung. Etwas niedriger, aber der höchste Berg in Sachsen, ist der F i ch- 
telberg, 1205 m. (3710'). An seinem Nordabhange liegt die höchste 
menschliche Wohnuug in Sachsen in einer Höhe von 1158 m. (3554'). 
Sowohl der Keilberg als auch der Fichtelberg erheben sich, von Norden 
aus gesehen, in wenig auffallender Weise vom Kamme empor. 
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